Bildungsberatung

Die Expansion von Bildungsberatung – eine Beobachtung

„Beratung“ hat sich in den verschiedensten Zweigen des gesellschaftlichen Lebens mittlerweile fest etabliert. Überall ist eine räumliche Entgrenzung von Beratung zu beobachten: Sie begegnet uns sowohl am Arbeitsplatz (Berufslaufbahnberatung durch Personalentwicklung), bei der Wahl von Fort- und Weiterbildungen (Bildungsinstitutionen, VHS) als auch im privaten Bereich (Paarberatung) und zeigt sich dabei in verschiedenen Gestaltungsformaten, wie z.B. in Form des individuellen Coachings. Gemeinsam ist: sie ist „eingebettet in Lernaktivitäten verschiedener Art“ (Sultana 2003: 31). Vor allem im Bildungs- und Beschäftigungsbereich hat sich seit Ende der 90er Jahre eine heterogene, teilweise unüberschaubare Beratungslandschaft verstärkt herausgebildet (Dewe/Schwarz 2011: 16). Mit der Auflösung des Beratungsmonopols der Bundesagentur für Arbeit 1998, bildeten sich neben staatlichen, gemeinnützigen auch zunehmend öffentlich-private und private Trägerstrukturen mit einem stetig wachsenden Markt an bildungsbezogenen Beratungsangeboten heraus.

Entstanden ist ein breites Feld der Bildungsberatung, das allem voran durch die föderale Struktur Deutschlands geprägt ist. Dementsprechend haben die Bildungsberatungsangebote in Deutschland einen starken, regionalen Bezug und hängen maßgeblich von der jeweiligen Förderpolitik und Institutionenstruktur der Länder ab. Um der zersplitterten Institutionenlandschaft entgegenzuwirken, wurde 2001 im Rahmen des Aktionsprogramms „Lebensbegleitendes Lernen für alle“ das Projekt der „lernenden Regionen“ ins Leben gerufen. Ziel war dabei, u.a. die verschiedenen Akteure (wie z.B. Kommunalverwaltungen, Volkshochschulen oder auch Vereine und GmbHs) bei der Koordinierung und Ausgestaltung von Bildungsberatungsangeboten enger zu vernetzen sowie insgesamt die Zugangsmöglichkeiten zu Bildung für alle Bevölkerungsgruppen zu verbessern (BMBF 2001).

Die Entstehung von zahlreichen Verbänden und Netzwerken, wie beispielsweise die Gründung des Nationalen Forums Beratung in Bildung, Beruf und Beschäftigung (nfb) 2006 in Deutschland, aber auch die Herausbildung von (inter-)nationalen Zusammenschlüssen, wie die Internationale Vereinigung für Bildungs- und Berufsberatung (IVBB) und das Europäische Netzwerk für eine Politik lebensbegleitender Beratung (ELGPN), zeichnen ebenso das Bild einer Gesellschaft, in welcher Bildungsberatung auch zukünftig zunehmende Relevanz zugesprochen wird. Tatsächlich ist die Beratungsbranche – nicht nur im Bildungsbereich – „eine der wenigen Wachstumsbranchen, in der immer wieder neue Beraterzünfte mit neuen Zielbereichen auf den Plan treten“ (Schützeichel/Brüsemeister 2004: 7).

Zur Legitimation von Beratung

Der augenscheinliche Bedeutungszuwachs von Bildungsberatung wird häufig auf gesellschaftliche Transformationsprozesse zurückgeführt und durch damit einhergehende soziale Veränderungen begründet: Zunahme von Informationen und ‚informational overload’, verstärkte Unkalkulierbarkeit auf den Güter- und Arbeitsmärkten (De-Gradierung des klassischen Normalarbeitsverhältnisses, befristete Arbeitsverhältnisse) und „steigende Unsicherheit in den (berufs-)biographischen Perspektiven“ (Arbeitsstab Forum Bildung 2001). All das fordere von dem modernen Menschen eine möglichst kontinuierliche Anpassungsfähigkeit an sich wandelnde, gesellschaftliche Rahmenbedingungen und die Bereitschaft sich beruflich ggf. immer wieder „neu“ zu erfinden. Lernen, Wissen und Qualifizierung werden hierfür als die wesentlichen Triebkräfte gedeutet, die laut Stehr heutzutage mehr denn je über das Leistungsvermögen einer Gesellschaft und die Positionierung des Individuums in eben dieser bestimmen (Stehr 2001: 10). Bei diesen „neuen“ Herausforderungen übernehme Bildungsberatung die wichtige Aufgabe, Menschen bei bildungs- und berufsbezogenen „Entscheidungsprozessen“ zu begleiten und sie, wie z.B. in instabilen Übergangsphasen (Schule – Beruf/Studium, Arbeitslosigkeit, Jobwechsel) oder aber bei der Wahl von Weiterbildungsangeboten im Sinne einer Orientierungshilfe zu unterstützen. In diesem Sinne wird (Bildungs-)beratung als Mittel zur Handhabung der Herausforderungen in der sprichwörtlichen „Risikogesellschaft“ akzentuiert (Ribolits 2007).

Während diese neuen Anforderungen zumeist als Erklärungsansätze für die steigende Relevanz von Bildungsberatung hervorgehoben werden, wird der bildungspolitische Hintergrund als Ursache für den nachgezeichneten „Bedeutungszuwachs“ im gesellschaftlichen Diskurs oftmals nur unzureichend thematisiert. Häufig bleibt er ganz ausgespart. In Abgrenzung zur Beratung als historisch und kulturell bedingter Form der Rede und des Handelns gegenüber Ratsuchenden, die es immer schon dort gegeben hat, wo Menschen in sozialen Zusammenschlüssen leben, ist die institutionalisierte Bildungsberatung „eingebunden in das bildungspolitisch ausgerufene Konzept des lebenslangen Lernens“ (Gieseke 2007). Damit ist es untrennbar mit den Zielsetzungen des bislang größten EU-Bildungsprogramms für lebenslanges Lernen (PLL) verbunden, welches vorsieht, Europa gemäß der Lissabon-Strategie zur wettbewerbsfähigsten und dynamischsten Wissensgesellschaft und -ökonomie der Welt zu machen (Dewe/Weber 2007: 59). Bildungsberatung als eine „auf Individuen ausgerichtete Dienstleistung, deren Wirkungen zugleich hohen gesellschaftlichen und ökonomischen Nutzen stiften“ (Schober 2006: 2), übernimmt dabei eine strategisch wichtige Vermittlungsposition zwischen Individuum und Gesellschaft. Sie fungiert als Steuerungsinstrument für die Verteilung von „Humankapital“, indem Einzelne bei bildungs- und berufsbezogenen Entscheidungen gemäß ihrer individuellen Bildungsbedürfnisse unterstützt werden (Dewe/Weber 2007: 59, Schober 2006: 2) und hat damit eine wichtige Funktion bei der Umsetzung des Programms des lebenslangen Lernens inne (Käpplinger 2009: 4). Dem ausgerufenen Bedeutungszuwachs von Bildungsberatung liegt demnach eine ökonomisch geprägte Logik zugrunde.

Bildungsberatung und der Transfer von Verantwortung

Für ‚Bildungsberatung‘ bestehen im deutschsprachigen Raum zahlreiche definitorisch-konzeptionelle Ansätze, die versuchen, dessen Inhalt zu fassen (Schiersmann 2007, Gieseke/Opelt/Ried 1995). Häufig fungiert Bildungsberatung dabei als Ober- bzw. Sammelbegriff. So können Supervision, Coaching und Mentoring als „besondere Durchführungsformen von Bildungsberatung“ beschrieben werden (Fogolin 2011: 3). Doch unabhängig davon, um welchen Beratungsansatz, welches Format oder welche Zielgruppe es sich handelt, ist in der Bildungsberatungspraxis seit geraumer Zeit eine deutliche Akzentsetzung auf Aspekte der beruflichen Weiterbildung (Weiterqualifizierung) beobachtbar. Die verschiedenen Beratungsformate eint, dass sie sich auf eine Reihe von ineinandergreifenden Dienstleistungen beziehen, „die das Angebot von Informationen und Unterstützung in strukturierter Form zum Ziel haben, damit Einzelpersonen und Gruppen dazu befähigt werden, unabhängig von ihrem Alter und dem jeweiligen Zeitpunkt in ihrem Leben Entscheidungen in Bezug auf ihre Bildungs-, Ausbildungs- und Berufslaufbahn zu treffen und ihren Lebensweg effektiv zu steuern“ (Sultana 2003: 31).

Der hier beschriebene gemeinsame Nenner ist vor allem die zentrale Steuerungsfunktion von Bildungsberatung. Auf gesellschaftlicher Ebene obliegt ihr die Aufgabe, Bildungssystem und Arbeitsmarkt effizienter aufeinander abzustimmen, indem beispielsweise „Fehlqualifikationen“, Ausbildungs- und Studienabbrüche und die Dauer von Arbeitslosigkeit verkürzt werden. Ziel ist es also, Fehlallokationen von (Investitionen in) Individuen möglichst gering zu halten und die Matching-Prozesse am Arbeitsmarkt zu optimieren (BIBB 2009). Gleichzeitig wird auf individueller Ebene die Stärkung der Steuerungsfähigkeit der persönlichen (Berufs-)Biografie, noch genauer, das „Management“ der eigenen biografischen Weichenstellungen forciert. Die Bereitschaft, sich der Selbststeuerung der persönlichen Lern- und Bildungsprozesse zu widmen wird gleichsam übersetzt mit der Bereitschaft, sich ggf. beraten zu lassen bzw. sich zumindest ‚beratungswillig’ zu zeigen. Dieser in Bildungsberatung enthaltene Steuerungsaspekt legt nahe, dass die Bereitwilligkeit zu vermehrter (Selbst-)Steuerung auch ein Mehr an individueller Autonomie mit sich bringen würde. Dieses Autonomieversprechen bringt einen Verantwortungstransfer nicht nur zugunsten, sondern auch zulasten des Individuums mit sich, wie er auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen zu beobachten ist. In Anlehnung an Niehaus (2014) ergibt sich die Verantwortungsverschiebung im Beratungskontext quasi naturgemäß aus der Logik des Ratgebens. Denn gemäß der klassischen Interaktion des Ratgebens liegt die praktische Umsetzung grundsätzlich in der Hand des Ratsuchenden, wobei der Ratgebende selbst jedoch weder tätig wird noch werden darf (da es sich sonst um einen direktiven Akt der Bevormundung, Lenkung oder ähnliches handeln würde). Ein weiterer beratungsimmanenter Aspekt liegt darin, dass die Wirkungen des Ratgebens nie vorhersehbar sind. Für Beratung ist demnach charakteristisch, dass es sich um eine Handlungsform mit unsicherem, unvorhersehbarem Ausgang handelt (Niehaus 2014). Die Ergebnisoffenheit des Beratungsprozesses bzw. die Offenheit der individuellen Entscheidung, die zum einen als essentielles Kriterium dafür gesehen wird, dass Beratung überhaupt erfolgreich und effektiv sein kann (Ambos 2006: 132), impliziert aber auch gleichzeitig, dass die (erfolgreiche) Umsetzung ausschließlich in der Verantwortung des Einzelnen liegt. Welche Problematik sich dahinter verbergen kann, tritt dann deutlich hervor, wenn die Frage gestellt wird, wer die Konsequenzen zu verantworten hat: Was ist, wenn der Ratsuchende beispielsweise die in der Bildungsberatung entwickelten Ideen, Vorhaben, Strategien, etc., umsetzt und der gewünschte Erfolg ausbleibt?

Beratung ermöglicht mit dieser Verlagerung der Verantwortung auf das beratene Subjekt, dem damit Entscheidungssouveränität zugeschrieben wird, eine Fokusverschiebung, indem die Verantwortung für bspw. die Situation arbeitslos zu sein, gänzlich individualisiert wird und die Frage nach strukturellen Implikationen (am Arbeitsmarkt, auf politischer Ebene) und gesellschaftlicher Verantwortung gar nicht erst mehr gestellt wird. Mit Übertragung von Verantwortung wird sowohl der Erfolg als auch das Scheitern in die Hände des Subjekts gelegt (Bröckling 2007). Am Beispiel der Bundesagentur für Arbeit weisen Schützeichel und Brüsemeister diesbezüglich darauf hin, dass die Bundesagentur ihre Aufgabe zunehmend „in der Beratung und nicht mehr in der Hilfe“ sehe, wodurch „Arbeitslose, die um Hilfe nachfragen, zu Kunden mutieren, die für ihre Lage selbst verantwortlich sind“ (Schützeichel/Brüsemeister 2004: 8). Bei der Verantwortungsverschiebung zu Lasten des Individuums tritt oftmals das Faktum in den Hintergrund, dass diese (neue) Form des Selbstmanagements vielerlei Ressourcen erfordert, um die Chancen dieser Freiräume wahrnehmen und den Risiken entsprechend entgegentreten zu können. Aufgrund der sozialen Ungleichheitsverhältnisse ist jedoch der Rückgriff auf Ressourcen materieller sowie immaterieller Art für verschiedene Personengruppen unterschiedlich zugänglich (Bittlingmayer 2001: 18). Doch auch hier soll Bildungsberatung für Abhilfe sorgen. Sie sei – so der häufig betonte Anspruch – wesentliche Voraussetzung dafür, dass für alle gesellschaftlichen Milieus der Zugang zu Bildung gewahrt werde (Lampe 2008: 57).

Die Technisierung der Bildungsberatung durch Ökonomisierung

Was die Veränderung der Trägerstrukturen für Bildungsberatung betrifft, so verweist Enoch auf eine dominante Entwicklung, nach der das Fürsorgeprinzip in zunehmendem Maße durch das Marktprinzip abgelöst werde. In der Konsequenz werde Bildungsberatung damit zunehmend zu einer „am Markt orientierten Dienstleistung“ (Enoch 2011: 73), wobei sie hinsichtlich ihrer wohlfahrtsstaatlichen Ausrichtung sukzessive Einschränkungen erfahre. So werde das bildungspolitische Ziel, der Abbau und die Bekämpfung sozialer Ungleichheit, allmählich zugunsten der Konformität mit Marktprinzipien aufgegeben. Enoch spricht in diesem Zusammenhang auch von der „Ökonomisierung von Bildung und Beratung auf konzeptioneller Ebene“ (Enoch 2011: 10).Mit Blick auf die zuvor erläuterten Ansprüche, die mit Bildungsberatung verbunden sind, zeichnet sich in der Bildungsberatungspraxis ein paradoxes Bild ab. Zum einen sind entgegen aller bildungspolitischen Statements zur vermeintlich bedeutenden Rolle von Bildungsberatung bislang kaum nennenswerte praktische Konsequenzen erwachsen. Ein Großteil der öffentlichen Beratungsangebote hat immer noch Projektcharakter, wodurch deren Finanzierung in keiner Weise durchgängig gesichert ist. Durch die Befristung ergeben sich folglich unsichere Rahmenbedingungen, die eine langfristige Planung, den Ausbau und letztlich auch die Professionalisierung von Beratungsangeboten erschweren. Es besteht in der Praxis also eine Diskrepanz zwischen ideellen Bekenntnissen, Bildungsberatung etablieren zu wollen und der praktischer Umsetzung (Müller 2010: 40f.). Exemplarisch lässt sich diese Entwicklung anhand einer Berliner Bildungsberatungseinrichtung verdeutlichen, die als öffentlich zugängliche Einrichtung u.a. auch Beratungen im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit durchführt. Dort konnte gezeigt werden, dass nicht nur eine Mindestanzahl an zu leistenden Beratungen über die weiterführende Förderung entscheidet, sondern dass zudem die Mindestanzahl an zu erbringenden Beratungen – bei gleichbleibenden Fördermitteln – erhöht wurde. Dies geht folglich mit einer höheren Arbeitsbelastung und dem Risiko von Qualitätseinbußen einher, da auf die gleiche Anzahl von Bildungsberatenden mehr durchzuführende Beratungen fallen (Ewers 2013). Mit der Erhöhung der standardisierten Anforderungen wird das Kriterium ‚Zahlen erbringen’ zu dem wesentlichen Richtmaß, welches über die Weiterführung und Förderung von öffentlichen Bildungsberatungseinrichtungen entscheidet. Mit anderen Worten: die Legitimationsgrundlage für Bildungsberatung wird maßgeblich an der Zahl erbrachter Beratungsleistungen gemessen und somit primär an ökonomischen Kriterien der Effizienzsteigerung ausgerichtet.Diese rein quantitativ begründete Legitimation trägt gleichwohl einem für Bildungsberatung relevanten Punkt nicht ausreichend Rechnung: der „Nicht-Technisierbarkeit“ des Menschen. In Anlehnung an die theoretischen Annahmen des „Technologiedefizits“ (Luhmann/Schorr 1982) im Erziehungssystem der Gesellschaft, muss angenommen werden, dass der Mensch in seinen Entscheidungen und in seinem Handeln wenig und wenn, dann nur sehr vermittelt extern steuerbar ist (Luhmann/Schorr 1982). Erziehungs- wie auch besonders Beratungsprozesse setzen notwendig eine Unabhängigkeit von Wissen, Entscheidungen und Handeln der Beteiligten voraus und beinhaltet etwa keine 1:1-Übersetzung der Beratungsempfehlungen. Beratung ist also wenig kontrollierbar in ihren Wirkungen.

Diese Unkontrollierbarkeit gehört jedoch auch zu den Rahmenbedingungen pädagogischer Arbeit, die berücksichtigt werden müssen, wenn bestmögliche Bedingungen für Bildungs- und Emanzipationsprozesse geschaffen werden sollen. Fokussiert man hingegen das Kriterium der „Zahlenanforderungen“ als einzige Legitimations- und Qualitätsgrundlage für Bildungsberatung und quantifiziert damit den vermeintlichen Beratungserfolgs, tritt der emanzipatorische Anspruch von Bildungsberatung, Einzelne gemäß ihrer individuellen Bildungsbedürfnisse bei bildungs- und berufsbezogenen Entscheidungen zu unterstützen, zugunsten eines ökonomisch geprägten Verwertbarkeitsanspruch in den Hintergrund. Eine Qualitätskontrolle von Bildungsberatung, die ausschließlich anhand der Überprüfung der Zahlen erfolgt, sagt zudem nichts über den Zusammenhang zwischen der Inanspruchnahme von Bildungsberatung und einer erfolgreichen oder erfolglosen Arbeitssuche aus.

Das genannte Beispiel deutet auf eine Entwicklung hin, die sich in einem der von Käpplinger formulierten vier möglichen Zukunftsszenarien widerspiegelt, welche unter dem Stichwort „verstärkte Dichotomisierung“ zusammengefasst wird (Käpplinger 2009). In dieser Entwicklungsvariante würden sich zum einen chronisch unterfinanzierte Beratungsstellen aufgrund der geringen öffentlichen Förderung professionelles Personal nicht mehr leisten können. Die Beratungsergebnisse dienten demnach oftmals nur noch der Legitimation von Verwaltungshandeln. Demgegenüber besteht eine Parallelentwicklung am Markt privater Beratungsanbieter. Hier findet man u.a. hochpreisige Beratungs- und (Coaching-)Angebote für Personengruppen mit hohem bis sehr hohem Einkommen. Vor dem Hintergrund dieser gegenwärtigen Entwicklungen bleibt es fraglich, inwiefern Bildungsberatung dem Anspruch als Mittel zur Herstellung von Chancengleichheit jetzt und in Zukunft gerecht werden kann oder ob sie vielmehr – (ungewollt/gewollt?) – zur Verfestigung von Bildungsungleichheiten beiträgt.

Nicole Ewers

Literatur

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  • Ribolits, Erich (2009): Beratung, Coaching u. Co. – Hilfe zur Selbsthilfe oder neue Form der Menschenführung? Vortrag bei der Arbeitstagung AHS-Schülerberatung, FH-BFI. Wien:www.peermediation.at/schuelerberatung/pdf/2009_04_Schulerberatung_Wien.pdf (letzter Zugriff am: 19.11.2014)
  • Schiersmann, Christiane (2007): Berufliche Weiterbildung. Lehrbuch. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.
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  • Schützeichel, Rainer/ Brüsemeister, Thomas (Hrsg.) (2004): Die beratene Gesellschaft. Zur gesellschaftlichen Bedeutung von Beratung. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Stehr, Nico (2001): Moderne Wissensgesellschaften. Aus Politik und Zeitgeschehen B3/2001. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.
  • Sultana, Ronald G. (2003): Strategien zur Bildungs- und Berufsberatung – Trends, Herausforderungen und Herangehensweise in Europa. Thessaloniki: CEDEFOP.

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