Aspekte der Ökonomisierung der Bildung

Thomas Höhne

Ökonomisierung hat sich in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten zu einem umfassenden gesellschaftlichen und politischen Phänomen entwickelt: Ob im Bereich der Gesundheit, in der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik oder im Bildungsbereich, überall wird der zunehmende Einfluss ökonomischer Praktiken und Diskurse beobachtet und kritisiert. Im Allgemeinen bezeichnet der Ökonomisierungsbegriff daher die umfassende Umgestaltung von Politik und Gesellschaft nach ökonomischen bzw. kapitalistischen Kriterien. In diesem Sinne bildet die Ökonomisierung den Kern des Neoliberalismus, der Veränderungen in Staat, Politik, Gesellschaft, Ökonomie und Kultur von der institutionellen Ebene bis auf die Mikroebene, der Individuen gleichermaßen umfasst. Darüber hinaus beinhalten beide Begriffe, Ökonomisierung wie Neoliberalismus, neue Formen von Macht und Herrschaft.

Globalisierung als Katalysator von Ökonomisierung

Ökonomisierungsphänomene, ob als gesellschaftlich verhandeltes Thema, als politische Agenda oder als konkrete strategische Maßnahme, finden sich also auf verschiedenen Ebenen. Auf europäischer Ebene hat vor allem die Lissabon-Strategie des Jahres 2000 mit dem Ziel, Europa innerhalb von zehn Jahren zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensgestützten Wirtschaftsraum der Welt zu machen, zur allgemeinen Ökonomisierung dadurch beigetragen, dass die Wettbewerbsdynamisierung in allen Politikbereichen zum Hauptkriterium politischer Steuerung wurde. Das zeitliche Zusammentreffen von Lissabon-Strategie, Bologna-Prozess und der ersten PISA-Untersuchung um die Jahrtausendwende ist daher kein Zufall, sondern Indikator für eine grundlegende Wende in der Politik. Die daraus folgende Dynamisierung des Wettbewerbs blieb nicht ohne Folgen für die nationalen Politiken der EU-Staaten, was in Deutschland mit seinem föderalen System zu einer Wende vom kooperativen Föderalismus hin zum Wettbewerbsföderalismus führte. Eingefasst sind diese politischen Strategien in eine ökonomische Globalisierung, genauer: in eine globale Liberalisierung von Märkten für Produkte und Dienstleistungen, wie sie systematisch von der WTO und vor allem im Rahmen des GATS-Abkommens betrieben werden. Ziel ist die durchgehende Deregulierung aller Politikbereiche und Liberalisierung des Handels von Gütern und Dienstleistungen einschließlich der Bildung mit dem erklärten Ziel, für alle Bereiche einen globalen Markt zu schaffen.

Humankapitalisierung von Bildung

Bildungsinstitutionen geraten in dem Maße unter zunehmenden Legitimationsdruck, in dem sie primär nach outputorientierten Leistungskriterien definiert bzw. über ihre ‚Bildungsqualität’ bestimmt werden. Damit wird das Leistungsprinzip im gesamten Bildungsbereich für Bildungsinstitutionen, Lernprozesse, pädagogisches Handeln und Professionalität zum zentralen Bewertungsprinzip gemacht. Verbunden ist dieses mittlerweile in den Kultusbürokratien dominierende Verständnis von Bildung mit einer entscheidenden normativen Verschiebung und Neuakzentuierung. Wurde im Kontext der Bildungsreform der 1960er Jahre der Zusammenhang von Demokratie und Bildung betont – Stichwort: Bildung als Bürger- und Menschenrecht – und neben Motiven wie der Ausschöpfung von Bildungsreserven als gleichrangig erachtet, so lässt sich in der jüngsten Reform seit den 1990er Jahren und verstärkt im Zeichen von PISA eine weitere Akzentverschiebung hin zur Individualisierung von Bildung beobachten. Begriffe wie Begabung und die Orientierung am individuellen und gesellschaftlichen Humankapital stellen die Hauptvariablen bildungspolitischer Steuerung dar, während Normen von Gleichheit, Gerechtigkeit oder Bildungsprinzipien wie Inklusion untergeordnet werden. Dabei wird nicht generell die Bedeutung von Bildungs(un)gleichheit als wichtige Variable geleugnet oder ignoriert, sondern eher relativiert und dadurch umgewertet. Denn Gleichheit taucht z.B. in den Tableaus der länderweiten Qualitätsinstitute, bei Evaluationen oder in Bildungsplänen als eines von vielen Qualitätskriterien auf, die es zu managen gilt. In universitären Evaluationen und Rankings spielt Ungleichheit bei der Bewertung von Qualität hingegen überhaupt keine Rolle.

Ganz im Sinne der eingangs geschilderten umfassenden neoliberalen Transformationen reichen Ökonomisierungsstrategien von nationalen und internationalen Diskursen, Maßnahmenkatalogen und Programmen über regionale und institutionell-normative Veränderungen bis auf die Ebene individueller Praktiken und Bildungsbiographien. Denn politische Programme wie lebenslanges Lernen oder Lernen primär im Zeichen von Kompetenz (vgl. Lehrplan vs. Bildungsplan) beinhalten auch und vor allem eine Ökonomisierung des Selbst, durch die der Einzelne zum Unternehmer seiner eigenen Arbeitskraft sowie Selbstunternehmer seines Lebens und Lernens gemacht wird. Beabsichtigt ist eine Veränderung des Habitus durch Anreize, die das Individuum zu permanenten Grenzüberschreitungen, Innovationen und Veränderungen anregen soll – kurzum: zu umfassender Flexibilität.

Der subjektiven Kapitalisierung von Bildung entsprechen die objektiven Formen der Bildungskapitalisierung, die mit leicht unterschiedlichen Akzentsetzungen auch als Kommerzialisierung und Kommodifizierung bezeichnet werden. Insgesamt wird damit die These vertreten, dass Bildung seit den 1980er Jahren zunehmend bzw. durchgehend warenförmig und nur noch nach seinem Tauschwert bestimmt wird. Hierbei sind in unterschiedlichen pädagogischen Arbeitsfeldern jeweils spezifische Formen und Instrumente von Ökonomisierung zu beobachten: Exzellenz und Ranking im Bereich der Hochschule, Vergleichsarbeiten, Evaluation, Privatschul- und Nachhilfemarkt im Feld der Schule, verstärkte Angebote privater Unternehmen im vorschulischen Bereich, stärkere Ausrichtung von Maßnahmen in Sozialpädagogik, Berufsbildung und Weiterbildung an den Kriterien Effizienz und Effektivität. Dies macht deutlich, dass sich Ökonomisierungsprozesse nicht in der Profitorientierung alleine erschöpfen, sondern eine komplexe Transformation und Vielförmigkeit beinhalten, die genauer aufzuschlüsseln ist.

Ökonomisierung und Staat

Mit dem Ökonomisierungsbegriff wird, wie eingangs erwähnt, eine Expansionsbewegung beschrieben, bei der die ökonomischen Praktiken und Logiken auf andere gesellschaftliche Bereiche übergreifen, weil – so die häufige Annahme – Staat und Politik sich zurückgezogen haben. Dieser Prozess der De-/Regulierung ist aber nicht als einseitiger Rückzug des Staates misszuverstehen, sondern wird als ein Formwandel staatlichen Handelns gedeutet, bei dem der Staat auch in netzwerkförmigen Kooperationen die Rolle eines Primus inter pares beibehält. De- und Reregulierung gehen hierbei Hand in Hand, was ein typisches Merkmal neuer Steuerung ist. Denn sie zeichnet sich durch neue Kontrollformen und -instrumente wie Evaluation, Schulinspektion, Bildungsstandards, Schulprogramme, Zentraltests, Akkreditierung usw. aus. So hat vor allem die Governanceforschung gezeigt, dass der Staat nach wie vor die Zügel fest in der Hand behält, wenn es um die Kontrolle der Ergebnisse der Bildungseinrichtungen geht. Diese Orientierung an Output und Leistungsergebnissen von Bildungsprozessen im Unterschied zur Input-Steuerung des Bildungssystems durch die langfristige und flächendeckende Planung (Finanzierung, Curricula, staatlicher Bildungs- und Erziehungsauftrag) ist eine entscheidende Veränderung gegenwärtiger Bildungsreformen gegenüber den Reformen der 1960er Jahre.

Autonomie als Distinktionsgewinn

Einen zentralen Teil der neuen Bildungsreformen seit den 1990er Jahren stellt die Autonomiepolitik im Bildungsbereich dar, womit sich ein neues Verständnis von autonomer Schule, unternehmerischer Universität und bildungspolitischem Regieren durchsetzt. Die Autonomie von Schulen, Hochschulen oder Institutionen der Weiterbildung ist dahingehend zweischneidig, als sie zum einen auf der Leitidee der Selbststeuerung beruht und zum anderen mit der neuen Steuerung, wie erwähnt, ein neues Kontrollregime etabliert wird. Es handelt sich im Fall der Schulautonomie – anders als es der Name erahnen lässt – also um eine Mischung von Innen- und Außensteuerung, durch welche die Verantwortung für die erzielten Ergebnisse – ob gut oder weniger gut – der einzelnen Organisationen auferlegt wird. Somit impliziert das Recht zur Autonomie die Pflicht zur Verantwortungsübernahme, was für erfolgreiche Schulen oder Universitäten ein hohes Anreizmittel darstellen mag, wenn man sich etwa die Exzellenzinitiative und die verschwindend kleine Zahl gekürter Hochschulen mit dem Status der Exzellenz anschaut. Aber für die Mehrheit durchschnittlicher oder weniger erfolgreicher Schulen und Universitäten setzt diese Form der staatlich-bildungspolitisch regulierte Autonomie die Bildungsorganisationen erheblich unter Erfolgsdruck, da die hohen Anforderungen damit als Standard gesetzt werden – ein offensichtlich erwünschter Reformeffekt, um die Akzeptanz für die ungeliebten staatlichen Kontrollformen zu erhöhen. Ein wichtiges Motiv für die überall im Bildungsbereich beobachtbare Standardisierung ist der politische Legitimationsgewinn für die staatliche Bildungsverwaltung, wodurch nachhaltiger denn je ökonomisierende Praktiken durchgesetzt, Gewinner belohnt und Verlierer bestraft werden können. Damit kommt das sog. Matthäus-Prinzip in der Bildungssteuerung zum Tragen, nach dem denen, die viel besitzen, noch mehr gegeben wird und denen, die wenig haben, noch mehr genommen wird. Die ökonomisierende Dynamik für Bildung liegt hierbei in der Akkumulation und Monopolisierung von Kapital auf Seiten starker Bildungsinstitutionen, zu der bildungspolitisch motiviert wird. Ein Effekt dieses politischen Signals für mehr Distinktionsgewinn ist die zunehmende Spreizung zwischen starken und schwachen Bildungsinstitutionen, die zumindest in Kauf genommen wird und im Sinne einer Wettbewerbslogik auch durchaus intendiert ist.

Staat und (die Illusion der) Chancengleichheit

Angesichts der geschilderten verstärkten Distinktionspolitik und Spreizung im Bildungssystem in Zeiten postulierter Bildungsautonomie ist die Frage nach der Reproduktion von Ungleichheit durch das Bildungssystem von entscheidender Bedeutung, denn sie wandelt sich in der Weise, in der Staat und Politik sich verändern. Dies hängt mit normativen Verschiebungen und Legitimationen aufgrund der Wohlfahrtsstaatskritik seit den 1980er Jahren zusammen wie auch mit der neoliberalen Modernisierung von Staat und Verwaltung (z.B. New Public Management) und der Etablierung neuer politischer Steuerungsformen (z.B. Public-Private-Partnership). Dennoch ist davon auszugehen, dass der Staat nach wie vor zentral für die Regulierung der Beziehungen der verschiedenen Felder oder Systeme ist (z.B. Wirtschaft, Beschäftigungssystem Gesundheitssystem, Bildungssystem). Gerade im Bereich der Bildung bleibt er die entscheidende Instanz in der Bildungssteuerung, was etwa die Vergabe von Bildungstiteln, die Festlegung von Inhalten und Curricula, die Gewährung von Autonomie und nicht zuletzt die bildungspolitische Beeinflussung von (Un-)Gleichheit betrifft.

Die veränderte Bildungssteuerung sowie die verstärkte Ökonomisierung im Bildungssystem haben eine Verschärfung der Ungleichheit im Bildungssystem zur Folge. Sie wird im Rahmen der erwähnten Kritik am Staat seit den 1980er Jahren und im Unterschied zu den Reformen der 1960er Jahren anders legitimiert. Gleichheit, so die aktuelle bildungspolitische Botschaft, ist nicht mehr ‚umsonst’ zu haben, sondern bildet eine abhängige Variable von Qualität und Leistung. Die enge Verknüpfung von Gleichheit und Leistung, also zweck- und wertrationalen Argumenten, ist mit Blick auf Bildungsreformen keine neue Erscheinung. Denn auch im Kontext der wohlfahrtsstaatlichen Expansion in den 1960er Jahren war die Legitimität von Gleichheitsforderungen im Bildungssystem stets eng mit dem Postulat des Ausschöpfens von Bildungsreformen gekoppelt. Aber seit den 1980er Jahren hat sich, wie angedeutet, im Zuge globaler Konkurrenz und der Entwicklung des Staates zum nationalen Wettbewerbsstaat (Joachim Hirsch) bzw. einem managerialen Staat eine folgenreiche Verschiebung ergeben. Gleichheit kann im Rahmen einer stärker ökonomisch ausgerichteten Governance nur noch Mittel zum Zweck – etwa zu Steigerung von Qualität – und nicht mehr Ziel und Zweck bildungspolitischer Steuerungsbemühungen an sich sein.

Die Chancengleichheit hat sich nach der Diagnose Pierre Bourdieu’s und Jean C. Passeron’s bereits in den 1960er Jahren als Illusion erwiesen – wie auch 50 Jahrzehnte später. Ihre These lautete seinerzeit, dass das Bildungssystem eine sozial ungerechte Leistungsselektion betreibe und zugleich die subtilen Mechanismen verschleiere, mittels derer die Reproduktion sozialer Ungleichheit aufrechterhalten und mit pädagogischen Mitteln in Bildungsungleichheit übersetzt und legitimiert wurde. Es sei die Illusion der Chancengleichheit, die die besagte Ungleichheitsreproduktion überhaupt erst ermögliche und zugleich das Versprechen der bürgerlichen Gesellschaft auf gleiche Zugangsbedingungen für alle als Ideologie deutlich gemacht habe. Diese Diagnose trifft auch heute noch zu, aber die politischen Vorzeichen haben sich in dem angedeuteten Sinne geändert. Gleichheit gilt nicht mehr als Wert an sich, sondern wird angesichts neuer Maßstäbe für die Bewertung von Bildung (Leistung, Wettbewerb, Output) in ihrer Bedeutung nachhaltig relativiert und unter Leistungs- bzw. Qualitätsvorbehalt gestellt.

Meritokratische Selektion und Elitediskurs

Im Zuge der geschilderten Entwicklung werden neue bildungspolitische Leitbilder, Anreizsysteme und Steuerungsformen dominant, die wettbewerbs- und marktorientiert sind. Dieser kompetitive Umbau führt zu einer gezielten politischen Strategie der Orientierung an ‚den Besten’ bzw. an Exzellenz. Diese Strategie ist in der Ökonomie als Best-Practice bekannt, nach der erfolgreiche Unternehmen als Vorbilder für andere dienen sollen. Die damit beabsichtigte Nachahmungskultur der vermeintlich Besten ist ein Wettbewerbsmechanismus, mittels dessen Organisationen und Felder unter erhöhten Veränderungsdruck gestellt werden sollen. Durch den Besten-Vergleich wird die Selektion in einem organisatorischen Feld wie Schule oder Hochschule (gut-besser-am besten/exzellent, schlecht-schlechter-am schlechtesten) systematisch durch das Anreizsystem verschärft. Es handelt sich um ein elitäres Schema bildungspolitischer Steuerung, bei dem die gesellschaftliche Hegemonie von Eliten – ob als ökonomische, gesellschaftliche, kulturelle oder politische Leitbilder – strategisch für eine gesamtgesellschaftliche normative Umorientierung genutzt wird.

Die in den letzten Jahren wieder verstärkte Rede von der Vorbildfunktion von Eliten konsolidiert vor allem den „Mythos von den Leistungseliten“ (Hartmann 2002), wodurch das meritokratische Prinzip gegen das Gleichheitsprinzip ausgespielt wird. Gegenüber einer allgemeinen ‚Gleichmacherei’, mit der die normative Orientierung an (Bildungs-)Gleichheit ausgehebelt werden soll, wird gerade wieder für eine Trennung ‚der Spreu vom Weizen’ im Namen der Leistungsgerechtigkeit plädiert, bei der die Hochbegabten die eigentlichen ‚Opfer’ eines an sich ungerechten Bildungssystems seien, das auf Egalität fixiert sei. Gleichheit als zentrale politische Leitidee der Bildungsreform der 1960er Jahre wird also im neuen eliteorientierten Bildungsdiskurs gerade mit dem Begriff der Gerechtigkeit kritisiert und strategisch zum Gegenprinzip aufgebaut. Somit vermag erst ein ‚leistungsgerechtes’ Bildungssystem gewährleisten, dass ‚Leistungsträger’ nicht besagte Opfer eines ‚leistungsfeindlichen’ und ineffektiven Bildungssystems werden. Notwendig ist daher ein „gesellschaftlicher Bedarf an Ungleichheit“ (Ulrich Teichler), in dem die Differenzen zwischen den Individuen sichtbar und wertsteigernd zum Tragen kommen können. Bildungsforschung und Ungleichheitsforschung weisen seit Jahrzehnten darauf hin, dass es zwischen Leistungsdifferenzen und sozialen klassenspezifischen Distinktionen einen direkten Zusammenhang gibt.

Die bildungspolitische Priorisierung von Leistung und Wettbewerb wird am Strukturdefizit der Inklusion im deutschen Schulsystem deutlich. Dies gilt nicht nur für die mangelnde Integration behinderter SchülerInnen, sondern auch für die Diskriminierung von Migrantenkindern oder die insgesamt überdurchschnittliche Drop-Out Quote von Jugendlichen, die die Schule ohne Schulabschluss verlassen. Durch die Umformulierung des Gleichheitsprinzips nach dem liberalen Prinzip der ‚Leistungsgerechtigkeit’ wird unhinterfragt ein Begriff von Leistung vorausgesetzt, bei dem in letzter Instanz das Individuum mit seinen Fähigkeiten und Bildungsentscheidungen als entscheidende Variable von Bildungserfolg angesehen wird. Diese Individualisierung von Bildungserfolg konterkariert in zunehmendem Maße die an Gleichheit orientierten normativen und mithin demokratischen Grundlagen von Bildung. In der Elitenforschung wird die meritokratische Vorstellung, dass Leistung, Verdienst, Erfolg und damit die Zugehörigkeit zu einer Elite zusammenhängen, empirisch als ‚Mythos’ widerlegt worden.

Erosion demokratischer Strukturen

Allgemein wird der Rückbau demokratischer Formen und Entscheidungsprozedere, bei der hinter einer demokratischen Fassade die demokratischen Institutionen – einschließlich der Bildungsinstitutionen – ausgehöhlt und durch elitäre Netzwerke ersetzt werden, als Postdemokratie bezeichnet. Diese Form von Public-Private-Partnership, die auch als neuer Bildungskorporatismus bezeichnet wird, lässt sich zunehmend auch im Bildungsbereich beobachten. Hierbei werden neue Akteurskonstellationen aus privaten und staatlichen Akteuren aktiv, die bildungspolitisch mittlerweile recht einflussreich geworden sind, wofür exemplarisch die großen Unternehmensstiftungen wie Bertelsmann oder die Bosch Stiftung stehen. Sie vergeben öffentlichkeitswirksam Schulpreise, veranstalten Weiterbildungen in Sachen Schulmanagement und Führung, sitzen in Konsortien überregionaler Projekte wie ‚Regionale Bildungslandschaften’ und werden mit Aufgaben betraut, die von Beratung, Konzepterstellung bis hin zum bildungspolitischen Mitsteuern reichen (z.B. das SEIS-Projekt mehrerer Bundesländer mit der Bertelsmann Stiftung).

Die Orientierung an Leistung soll zu einer Steigerung von Effizienz und Effektivität im Bildungsbereich führen, wofür der Wettbewerb zwischen Schulen, Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen als bildungspolitisches Mittel der Wahl erachtet wird. Dies wird im Bildungsbereich auf subtile Weise im Schulbereich beispielsweise über die Ausschreibung und Vergabe von Schulpreisen erreicht, in denen in Form einer reformpädagogisch-gemeinwohlorientierten Semantik mehr Wettbewerb propagiert wird. So folgt etwa der bekannte deutsche Schulpreis explizit einer Programmatik der Orientierung an den ‚den besten Schulen’, die auf einem primär leistungsorientierten Modell von Qualität beruht. Die Fokussierung auf die zweckrationalen kompetitiven und meritokratischen Werte relativiert, wie schon angedeutet, wertrationale Bezüge in nachhaltiger Weise. Denn demokratische Entscheidungsstrukturen und Argumente wie ‚Bildung als Bürgerrecht’, die in den 1960er Jahren noch tragende Säulen der Bildungsreform waren, werden heute eher als Innovations- und Modernisierungshindernis begriffen oder als anachronistisch entwertet. Mit Blick auf veränderte Gleichheits- und Demokratievorstellungen zeigt sich der soziale Wertewandel in besonders drastischer Weise, der mit der Ökonomisierung von Staat, Politik, Kultur, Gesellschaft und Bildung vor allem seit den 1990er Jahren eingesetzt hat.

Rationalisierung von Bildungssteuerung

Mit der Qualitätswende in der Bildungspolitik, die systematisch von der OECD seit den 1980er Jahren betrieben wurde, werden die Bildungssysteme einer umfassenden Rationalisierung unterzogen, die sich durch (den Glauben an) einen Steuerungsrationalismus auszeichnet: Objektive Daten und Indikatoren, denen der Stellenwert von Kennzahlen aus dem Bereich betrieblichen Managements für die Bildungssteuerung zugeschrieben wird, sollen eine outputorientierte Bildungsplanung ermöglichen. Als Hauptinstrument hierfür dienen zum einen Bildungsberichte, die ein systematisches Monitoring erlauben sollen. Zum anderen soll durch Standardisierung von akademischer und beruflicher Bildung im europäischen sowie in den jeweiligen nationalen Qualifikationsrahmen eine engere Kopplung von Bildungs- und Beschäftigungssystem hergestellt werden. Diese Entwicklung der bereichs- oder organisationsspezifischen Angleichung und Vereinheitlichung von Strukturen wird auch als Isomorphie bezeichnet, die sich im Schulbereich in Bildungsstandards und Zentraltests äußert. Standardisierung stellt auch eine grundlegende Voraussetzung für die Ausbildung marktförmiger Strukturen auf nationaler sowie transnationaler Ebene dar. Denn die immer wieder aus Gründen der Qualitätssicherung geforderte Vergleichbarkeit impliziert nicht nur eine Messbarkeit von Indikatoren, sondern sie ermöglicht erst eine quantitative Wertbestimmung von Bildung über Äquivalenzbildung, also einen klassischen ökonomischen Mechanismus, der im modernen Kapitalismus die Form der Geldwirtschaft angenommen hat. Erst dadurch kann in außerökonomische Bereiche wie der Bildung besagte Tauschlogik induziert, der Wert wie auch der Mehrwert von Bildung bestimmt und Bildung dadurch zu einem Produkt bzw. zu einer Ware gemacht werden.

Die ökonomisierende Umgestaltung berührt auch den professionellen Kern bzw. das grundlegende Verständnis von Professionalität in Bildungsorganisationen, denn es setzt sich zunehmend das Leitbild einer gemanagten, d.h. von einem mehr oder minder professionellen Management betriebenen Organisation durch. In schulischen, universitären und außerschulischen pädagogischen Bereichen begann sich in den 1990er Jahren eine Kultur managerialer Führungsprinzipien durchzusetzen, für die die Differenzierung nach einer strategischen Ebene bzw. Leitung – analog zum Management eines Unternehmens – und operativen Ebene (= Produktion) zentral ist. Vorbild dafür ist die strategische Führung eines Unternehmens, das effizient und effektiv seine Ressourcen einsetzt und seine Stärken am ‚Markt der Möglichkeiten’ herauskehrt. Damit wird eine Wertschöpfungslogik auf Bildungsinstitutionen übertragen, die organisationsspezifisch entsprechende Strategien erfordert. Bei Schulen können dies etwa staatlich verordnete Schulprogramme sein, mit denen sie ihr Dienstleistungsprofil konturieren und für ihr Angebot bei Eltern als Kunden werben. Universitäten können hingegen drittmittelschwache Fächer schließen, um im Gegenzug drittmittelstarke Bereiche zu stärken und auf diese Art ihr Profil zu schärfen. Diese Form der pädagogischen Wertschöpfung (Elisabeth Flitner) erfasst – industriesoziologisch gesprochen – mittlerweile die gesamte Wertschöpfungskette im Sinne einer durchgehenden „Ökonomisierung der Bildungsproduktion“ (Hans Graßl).

Der Managerialismus, wie die am Management orientierte Führungs- und Regierungsethos auch genannt wird, stellt ein zentrales Mittel der Ökonomisierung dar, denn sie impliziert eine umfassende Übertragung betriebswirtschaftlicher Steuerungsmittel von Unternehmen und Betrieben auf Bildungsorganisationen. Sie geht ursprünglich auf die Transformation von Staat und Politik im Rahmen der Verwaltungsmodernisierung der 1980er und 1990er Jahre zurück, im Zuge derer das New Public Management (neue Verwaltungssteuerung) als flächendeckende Reformmaßnahme aufgegriffen, um sie effizienter und effektiver zu machen.

Wichtige Impulse für diese Entwicklung kamen u.a. aus der Wissenschaft, vor allem aus der der neuen Institutionenökonomik, die mittlerweile vermehrt auch in der Erziehungswissenschaft rezipiert wird. Institutionen und Organisationen werden hierbei als ökonomisch operierende Einheiten mit einer entsprechenden Entscheidungsrationalität verstanden, die ihr Handeln strategisch an Aufwand-Ertrag-Relationen (Effizienzkriterien) und Ziel-Wirkungs-Relationen (Effektivitätskriterien) ausrichten. Durch diese Ökonomisierung der Theorie wurde ein ökonomistischer Neusprech etabliert, mit dem Bildungsorganisationen primär im Vokabular von Innovation, Wettbewerbsfähigkeit und Profilstärke beschrieben werden. So wird etwa Schulentwicklung analog zur Organisationsentwicklung eines Unternehmens mittlerweile als genuine Aufgabe einer Schule betrachtet, die von ihr als lernende Organisation und im Rahmen schulischer Qualitätspolitik erwartet werden. Lernen stellt hierbei eine Metapher für permanentes ‚change management’ dar, die den Willen zur permanenten Veränderung der Schule signalisieren soll. Demgegenüber verweisen etwa empirische Befunde des Neoinstitutionalismus deutlich auf die Grenzen der Ökonomisierbarkeit pädagogischer Organisationen, denn sie verfügen über eine eigene professionelle Handlungslogik, die sich klar von der eines Unternehmens unterscheidet. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass sich entsprechende ökonomische Führungs- und Steuerungskonzepte nicht 1:1 auf Schule und Universitäten übertragen lassen.

Veränderung von Professionalität

Das suggestive Bild der Schule als lernende Organisation führt zur Vermischung pädagogischer und managerialer Praktiken und Handlungslogiken. Pädagogisches Handeln von Erziehen und Bilden ist demnach nicht mit managerialem Führungshandeln gleichzusetzen und daher auch nicht zu ersetzen. In diesem Sinne vermischt der Begriff ‚Classroom-Management’ anstelle von Unterrichten und Erziehen nicht nur unzulässigerweise beide Handlungslogiken und Wissensformen, sondern definiert pädagogische Professionalität in Richtung einer managerialen Logik um. Dies mag in der gegenwärtigen Reformphase, die sich durch einen Rationalisierungsschub von Bildungsorganisationen auszeichnet, funktional sein, erweist sich aber angesichts professionstheoretischer Überlegungen als überaus problematisch.

So scheint etwa das Technologiedefizit, das als konstitutives Signum professionellen Handelns im Bildungsbereich gilt und von der grundlegenden Unsicherheit pädagogischen Handelns und der Relativität von Wirkungserwartungen ausgeht, in seiner Bedeutung zunehmend in den Hintergrund gedrängt zu werden. Angesichts der verstärkten Forderung nach evidenzbasiertem Unterrichten und forcierter Außenkontrolle pädagogischer Outputs in Politik und Teilen der Wissenschaft erscheint das Technologiedefizit als ‚Schwäche’ gegenüber einer (normativen) Qualitätsorientierung. Denn die ‚Qualität’ von Bildungsorganisationen wie Schule, Hochschule, aber auch Einrichtungen frühkindlicher Erziehung, der Weiterbildung oder der außerschulischen Jugendbildungen muss sich mittlerweile in der Messbarkeit von (Output-) Indikatoren erweisen. Damit werden die vielfältigen und unterschiedlichen Bildungs-, Lern- und Erziehungspraktiken, die pädagogische Prozesse ausmachen, einem einheitlichen Qualitätsbegriff unterworfen. Jenseits dessen existieren entweder keine ‚anderen Qualitäten’ mehr oder gelten als sekundär. Indikatoren und Daten implizieren eine Sichtbarkeit bzw. Evidenz von Bildungsprozessen und von professionellem Handeln, die eine Nachweispflicht für die Bildungsinstitutionen zur Folge hat, über ihr Wirken regelmäßig Rechenschaft ablegen zu sollen oder müssen.

Vermarktlichung und die Grenzen der Ökonomisierung von Bildung

Die mikroökonomische Fokussierung auf die (Bildungs-)Organisation findet sich auch in der gegenwärtigen Bildungsökonomie wieder. Ausgelotet werden sollen dabei die Möglichkeiten, wie sich eine einzelne Organisation nach den Maßgaben von Effizienz, Effektivität und Output selbst steuert und optimiert, d.h. unter Marktbedingungen operiert. An erster Stelle stehen hierbei Fragen der Bildungsfinanzierung, die deshalb von besonderer Bedeutung sind, da die Gelder nicht mehr mit ‚der Gießkanne’, sondern gezielt und differenziert nach Leistung verteilt werden sollen. Diese enge Kopplung von Wettbewerb und Vermarktlichung findet auch bildungspolitisch als systematische Strategie Anwendung.

Die Vermarktlichung beginnt bereits mit dem Rückzug des Staates aus der Finanzierung von Lehr-/Lernmitteln, d.h. Schulbüchern, die mit einer schleichenden Abschaffung der Lernmittelfreiheit in einigen Bundesländern einhergeht, in denen Eltern dazu gezwungen sind, Lernmittel zu kofinanzieren. Die Finanzierung von Schulbüchern durch Eltern wie auch etwa die Einführung von Studiengebühren im Hochschulbereich stellen zwei Beispiele für eine direkte Privatisierung von Bildungsausgaben dar. Komplementär dazu hat sich mit dem Nachhilfemarkt ein Parallelsystem privater Förderung entwickelt, das – wie Untersuchungen zeigen – vor allem von bildungserfolgreichen SchülerInnen genutzt wird. Hinzu kommen die Quasi-Märkte, die über bestimmte bildungspolitische Maßnahmen etabliert werden.

Anstöße für Privatisierung und Vermarktlichung im Bildungsbereich kommen seit den 1990er Jahren zunehmend von transnationalen Akteuren wie der OECD, EU und Weltbank. Gemeinsam mit der UNESCO bilden sie mittlerweile einen zentralen Teil sich wandelnder Regulierungsformen, institutioneller Verschiebungen und Policyprozesse auf nationaler sowie transnationaler Ebene, die auch als neues Bildungsregime bezeichnet werden. Dazu gehören neben neuen Konstellationen aus nationalen und transnationalen Akteuren und räumlichen Veränderungen (z.B. Bildungsregionen) auch die Globalisierung von Wettbewerb sowie eine politisch forcierte Vermarktlichung im Bildungsbereich. Neben expliziten Bildungsmärkten, wie sie sich etwa im universitären Feld im Bereich des digitalen Fernstudiums mit profitorientierten Unternehmenshochschulen herausgebildet haben, meint Vermarktlichung die Etablierung sog. Quasi-Märkte. Quasi-Märkte im Bildungsbereich, bilden sich im Unterschied zu vollständigen Märkten (Preisbildung, Produkt, Angebot-Nachfrage usw.) über marktanaloge Mittel und Instrumente wie Evaluation und Elternwahl im Schulbereich sowie Rankings und leistungsorientierte Mittelvergabe im Hochschulbereich, deren Ziel die Erhöhung des Wettbewerbs ist.

Wenn man von dem rein ökonomischen Profit, den eine kleine Zahl privater Bildungseinrichtungen erreicht, die nicht repräsentativ für Bildungssysteme sind, einmal absieht, dann ergibt sich grundlegend das Problem der Kalkulation langfristiger Bildungsrenditen. Dies hängt mit der Kostenkrankheit von Dienstleistungen zusammen, wie sie in Bereichen der Gesundheit oder Bildung erbracht werden, deren Investitions-Ertrags-Verhältnis und infolgedessen auch deren Output nicht genau ermittelt werden kann. Sie widersetzt sich daher strukturell einer durchgängigen Vermarktlichung. Auch Humankapital kann in diesem Sinne niemals so kalkuliert werden, dass es als steuerungsrelevante Größe zukünftige Mittelallokationen von Bildungsinvestitionen rechtfertigen würde. Weder können alle Kosten externalisiert noch externe Effekte vollständig berücksichtigt werden. Damit sind Grenzen der Ökonomisierung als bildungspolitische Strategie angezeigt, neben der das Technologiedefizit auf der professionellen Handlungsebene und die nicht intendierten Nebeneffekte von Steuerung zwei weitere Grenzen von Ökonomisierung darstellen.

Bildung als privates und öffentliches Gut

Fragen von Eigentum und ökonomischer Verwertbarkeit von Bildung werden vor allem im Diskurs um die Privatisierung bzw. um das Verhältnis von privaten und öffentlichen Gütern aufgeworfen. Privatisierung wird oftmals als Kern von Ökonomisierung begriffen. Sie ist aber nicht auf die profitorientierte Privatisierung vormals öffentlichen Eigentums zu reduzieren, sondern umfasst sehr viel mehr als eine bloße Eigentumsübertragung. Zunächst einmal sind bei Privatisierung nicht nur länderspezifisch sehr verschiedene Grade und historische Entwicklungen, sondern auch verschiedene Privatisierungsformen wie materielle, funktionale, formelle und institutionelle Formen zu unterscheiden. Das Spektrum reicht von privatisierten Universitäten und Schulen mit Gewinnorientierung über staatlich subventionierte Privatschulen und Public-Private-Partnerships sowie Sponsoring bis hin zu Universitäten, die als Stiftungen mit einem privaten Stiftungsvermögen geführt werden. Ein erweiterter Privatisierungsbegriff beinhaltet auch den zunehmenden Einfluss privater Akteure, die im Rahmen staatlich-privater Kooperationen ihre partikularen Interessen stärker denn je geltend machen können. Zu denken ist hierbei u.a. an das universitäre Gremium des Hochschulrats oder auch an die lokalen und regionalen Partnerschaften von Schulen, Universitäten und Unternehmen, in denen privatwirtschaftliche Akteure mit ihren Interessen systematisch in den öffentlichen Sektor integriert werden. Privatisierung findet nicht gegen, sondern mit Hilfe und Unterstützung des Staates statt. Privatisierung – vom lateinischen Wort ‚privare’ für ‚rauben’ stammend – ist gütertheoretisch als öffentliche Enteignung zu verstehen. Dies zeigt, dass die Eigentumsfrage mit Blick auf Bildung grundlegend neu gestellt werden muss.

Akademischer Philanthrokapitalismus

Da der Bildungsbereich politisch umkämpft ist und Privatisierungen in der Regel kritisch betrachtet werden, sind sensible Strategien für eine entsprechende Veränderung notwendig. Dabei geht es in keiner Weise primär um Profiorientierung von Unternehmen, welche die Ökonomisierung im Bildungsbereich vorantreiben würden, sondern eher um Akteure, die im Namen von Allgemeinwohl und Uneigennützigkeit auftreten. So zeigt sich seit den 1990er Jahren das neue Phänomen des Philanthrokapitalismus, wie diese Entwicklung auch genannt worden ist. Hierbei handelt es sich um eine Kombination aus kapitalistischem Partikularinteresse, d.h. eigennützigem Profitstreben und philanthropisch-gemeinnützigen Motiven, die offensiv von den Akteuren nach außen vertreten werden. Für diesen Mix aus Gemein- und Eigennutz stehen vor allem Stiftungen, die ihren Einfluss im Bildungsbereich mittlerweile wirkungsvoll entfalten konnten.

Vor allem die Globalisierung des Hochschulmarktes, die sowohl von profitorientierten Unternehmen wie auch von philanthrokapitalistischen Akteuren voran getrieben wird, hat zu einem akademischen Kapitalismus geführt. Dieser zeichnet sich durch neue globale Marktstrukturen im Bildungsbereich aus, die nicht nur eine Veränderung institutioneller Strukturen beinhalten, sondern auch zu einer elementaren Transformation von Wissen und Lernformen geführt hat, was ein historisches Novum darstellt. Denn die Kompetenzorientierung, Standardisierung (Bildungsstandards) und die Modularisierung im Bereich des Lehr-/Lernwissens wie auch die fortschreitende Digitalisierung von Lehr-/Lernangeboten sind historisch neue Entwicklungen, die von der vorschulischen Erziehung über Schule zu Universität und Weiterbildung alle bildungsbiographischen Bereiche umfassen. So ermöglicht die Digitalisierung von Lehr-, Lern- und Prüfungswissen die Expansion eines digitalen Lernmittelmarktes, der Stück für Stück den klassischen Schulbuchmarkt ablöst. Klassische Verlage wandeln sich hierbei zu globalen Bildungsdienstleistern, die Kunden umfangreiche e-learning Angebote machen, auf die neben Eltern mittlerweile auch Schulen und Universitäten als Kunden zurückgreifen können.

Stiftungen als neue Akteure in der bildungspolitischen Arena

Was die Verschmelzung philanthropischer und kapitalistischer Motive betrifft, so stellen, wie erwähnt, Stiftungen den Prototyp dieser neuen Akteursform dar. Das wird insbesondere dann deutlich, wenn der Kapitalbegriff nicht nur auf ökonomisches eingeschränkt, sondern auch auf andere Kapitalsorten bezogen wird. Denn oftmals wird das Engagement von Stiftungen als privaten Akteuren unkritisch und pauschal als gemeinwohlorientiert eingestuft. Deren politisches Kapital im bildungspolitischen Spiel besteht aber primär in der Einflussnahme und nicht in der finanziellen Beteiligung an Projekten. Mit Bourdieu ist hierbei von einem erweiterten Kapitalbegriff auszugehen, mit dem einflussreiche soziale Beziehungen, hohe Reputation und Expertise als eigene Formen von Kapital begriffen werden. Die Anerkennung von Stiftungen beruht auf ihrem guten Ruf, der ihr ‚symbolisches Kapital’ im Spiel um Macht und Einfluss darstellt – ökonomisches Kapital spielt hierbei eine untergeordnete Rolle. Im Unterschied zu Gewerkschaften, welche die spezifischen Interessen von ArbeitnehmerInnen vertreten und Ökonomisierungsprozesse kritisieren, gehören Stiftungen als private Akteure mit einem diffusen Allgemeininteresse oftmals zu den Befürwortern von Maßnahmen und Instrumenten, die eine Ökonomisierung im Bildungsbereich befördern. Gerechtfertigt wird hierbei der Ruf nach mehr Qualität, Effizienz und Effektivität im Bildungssystem mit der Notwendigkeit seiner Modernisierung, was meist mit verstärktem Wettbewerb und Konkurrenz gleichgesetzt wird.

Zur Kritik der Ökonomisierung

Die Ökonomisierungskritik, die seit geraumer Zeit von gewerkschaftlicher, wissenschaftlicher und zivilgesellschaftlicher Seite vorgebracht wird, hat immer wieder auch die Fragen nach Alternativen zur gegenwärtigen Entwicklung im Bildungsbereich aufgeworfen – ganz im Gegensatz zu einer Logik des vermeintlichen Sachzwangs. So wäre im Rahmen einer politischen Ökonomie der Bildung das Verhältnis von Bildung, Staat, Ökonomie und Gesellschaft genauer zu bestimmen. Eine weitere Möglichkeit besteht in einer alternativen bildungstheoretischen Begründung von Bildung – nicht nur in klassischer Manier mit Bezug auf ein Bildungssubjekt, sondern in der Nachhaltigkeit von Bildungsprozessen oder einem Index Gute Bildung analog zum Index Guter Arbeit, wie er von Seiten des Deutschen Gewerkschaftsbundes entwickelt wurde. Dies würde die Erarbeitung eines alternativen Qualitätskonzepts von Bildung erfordern, bei dem soziale und politische Indikatoren von Bildungsprozessen wie Gleichheit und Inklusion gleichrangig mit Indikatoren wie Leistung wären.

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