Bildungsökonomie

In einer ganzen Reihe von gesellschaftlichen Subsystemen oder Kontexten des Zusammenlebens wächst seit etlichen Jahren die regulative Dominanz der Ökonomie; wenigstens aber verstärkt sich der Eindruck eines Anwachsens dieser Dominanz. Nicht zuletzt im sozialen System der Erziehung scheint es so zu sein, dass Entscheidungen vor diesem Hintergrund getroffen und Denkstile geprägt werden. Eine bedeutsame Rolle bei der Ökonomisierung von Bildung und Erziehung spielen aus akademischer Sicht sicherlich die Bildungsökonomen. Im deutschsprachigen Raum sind das derzeit v.a. Ludger Wößmann und Stefan Wolter, zuvor war es insbesondere Friedrich Edding; international Gary S. Becker, George Psacharopoulos, Eric Hanushek, Marc Blaug sowie initiativ Theodore W. Schultz, Edward Denison und Jacob Mincer. Besonders im internationalen Bereich sind die Bildungsökonomen häufig für internationale Organisationen wie die OECD und die Weltbank tätig. Alle führenden Bildungsökonominnen und ‑ökonomen bemühen sich mit ihren Beiträgen um einen aus Sicht der klassisch-neoklassischen Wirtschaftslehre innovativen Blick auf die Wirtschaft. Die Innovation liegt in der Einbeziehung der Bedeutung von Erziehungsprozessen und ‑institutionen in die volkswirtschaftlichen Theorien makro- und mikroökonomischer Provenienz. Dabei werden die Axiome des ökonomischen ‚Mainstreams‘ jedoch nicht grundsätzlich in Frage gestellt.

Gegenstand und Ursprünge der bildungsökonomischen Forschung

Die Bildungsökonomie untersucht auf verschiedenen Ebenen den Zusammenhang zwischen Erziehung und wirtschaftlicher Prosperität. Dieser Zusammenhang wird als ein positiver angenommen, d.h. man erwartet, dass mehr Erziehung mit einem größeren ökonomischen Wohlstand einhergeht. Das Augenmerk gilt, wie in der Klassik-Neoklassik üblich, statistisch erfassbaren Größen. Daher wird auf der Seite der gesellschaftlichen Wohlfahrt nur das statistisch messbare Sozialprodukt (derzeit wird dafür das Bruttoinlandsprodukt verwendet, früher das Bruttosozialprodukt), auf der Seite der Erziehung wird die institutionelle Form der Erziehung betrachtet, also die Erziehung in Einrichtungen vom Kindergarten über die Schulen und Hochschulen bis hin zu Weiterbildungseinrichtungen. Funktionale Formen der Erziehung, also solche, die sich en passant in der Familie, in der Peer-group oder am Arbeitsplatz ereignen, bleiben weitgehend unbeachtet, da sie zu keinen messbaren monetären Effekten führen. Deswegen wäre es semantisch akkurater, wie im Englischen von einer ‚Erziehungsökonomie‘ (economics of education) zu sprechen. Bildung wird in diesem Beitrag fachsprachlich als singuläres, weil ausschließlich auf das Individuum bezogenes Ziel der Erziehung bestimmt und als solches als offenes, an die Person gebundenes Phänomen verstanden.

Anlass für die Ökonominnen und Ökonomen, die Erziehung ab dem Beginn der Sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts zum Thema der Ökonomie zu machen, war die Beobachtung, dass in Staaten mit hohen Ausgaben für Erziehung das Wachstum des Sozialproduktes wesentlich besser erklärt werden kann, als wenn nur die klassischen Produktionsfaktoren ‚Arbeit‘ und ‚Kapital‘ dafür herangezogen werden (Schultz 1960). Bei diesen und nachfolgenden Datenanalysen fiel ein positiver Zusammenhang zwischen Ausgaben für Erziehung und dem Wirtschaftswachstum auf.

Obwohl der dritte der klassischen Produktionsfaktoren, der ‚Boden‘ (einschließlich der im Boden befindlichen Rohstoffe), gewöhnlich für Konjunkturprognosen konstant gesetzt wird, mithin für das Kalkül praktisch keine Rolle spielt, wird gerade in Deutschland seither verstärkt darauf hingewiesen, dass die Volkswirtschaft kaum über natürliche Rohstoffe verfüge und deswegen ‚Bildung‘ der einzige Rohstoff sei. In dieser, meist von interessierter Seite wiederholten Behauptung wird dem Vorgang des Erziehens und den daraus erwachsenden Qualifikationen eine Qualität eingeräumt, die keineswegs dem ökonomischen Begriff des ‚Rohstoffs‘ entspricht (d.i. der Produktionsfaktor ‚Boden‘). Tatsächlich wird durch Erziehung die Qualität des Produktionsfaktors ‚Arbeit‘ modifiziert. Demgegenüber war das eigentliche Anliegen der frühen bildungsökonomischen Studien, besonders den Politikern in Entwicklungsländern zu verdeutlichen, dass man bei zu sparsamen Bemühungen um die Erziehung der Jugend nicht nur die Menschen um ihre Lebenschancen bringe, sondern auch bei der Fixierung auf wirtschaftliche Zugewinne eigenen Interessen zuwiderhandle, weil die Volkswirtschaft sich bei der geübten Praxis nicht optimal entwickeln kann.

Die darin durchaus innewohnenden ‚menschenfreundlichen‘ (im Sinne entwicklungsfördernder) Aspekte dieses ursprünglichen Ansatzes haben sich seither ins Gegenteil verkehrt: Man begnügt sich nicht damit, bloß festzustellen, dass die Wirtschaft wächst, weil man die nachwachsende Generation besonders erfolgreich gefördert hat. Man interpretiert vielmehr als bildungspolitische Konsequenz den mutmaßlich gegebenen Kausalzusammenhang zu einer Technologie um. Nach dieser wird alles Lernen auf das Ziel des Wachstums der nationalen Wirtschaft verpflichtet und es werden die Curricula nebst weiteren Instrumenten zur Steuerung von Erziehungsinstitutionen immer konsequenter auf das Ziel wirtschaftlichen Wachstums ausgerichtet. Dieser Mechanismus ist fraglos als ein wesentliches Momentum in der Ökonomisierung des Bildungswesens aufzufassen.

Erkenntnisleitende Fragen der Bildungsökonomie

Seit den Pionierarbeiten des amerikanischen Ökonomen Theodore W. Schultz in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts haben sich zwei Hauptstränge der bildungsökonomischen Forschung herausgebildet, die weitgehend den inneren Strukturen der Ökonomik entsprechen. Die Arbeiten von Schultz selbst, einem der führenden Vertreter der Chicago School of Economics, begründeten den makroökonomischen Forschungsstrang. Seit seiner ersten, 1960 publizierten Schrift und vor allem jener von Denison 1962 zur economics of education wird untersucht, welcher Zusammenhang statistisch zwischen ‚Erziehungsinvestitionen‘ und Größen wie dem gesamtwirtschaftlichem Wachstum oder dem Pro-Kopf-Einkommen besteht (letzteres ist definitorisch identisch mit der Pro-Kopf-Ausbringung).

Jacob Mincer, der für die OECD tätig war, untersuchte etwa zur gleichen Zeit den Zusammenhang zwischen Größen wie dem Einkommen, dem Lebenseinkommen und der Dauer der davorliegenden Beschulung (Mincer 1958). Auch auf dieser mikroökonomischen Ebene der Betrachtung einzelwirtschaftlicher Aktivitäten konnte ein positiver Zusammenhang nachgewiesen werden. In weiteren Studien zeigte sich dieser Zusammenhang freilich mit abnehmenden Ertragsraten für alle Arten von Erziehung, die das Niveau einer Grundbildung überschreiten, die also weitergehen als das Erlernen der elementaren Kulturtechniken Rechnen, Lesen und Schreiben.

Eine eingehendere Begründung zu diesem mikroökonomischen Forschungsstrang lieferte Gary S. Becker in seiner grundlegenden Schrift von 1964, in der er die Theorie des Humankapitals formulierte. Becker, ebenfalls Angehöriger der neoliberalen Chicago School of Economics, integrierte in die ökonomische Analyse zwei unterschiedliche Arten von Arbeit: Eine hoch- und eine niederqualifizierte Form der Arbeit. Der Erwerb von Kenntnissen wurde damit zu einer wichtigen ökonomischen Kategorie der Produktivität von Arbeit. Mit dieser Theorie wurde erstmals eine vorsichtige Kritik an der klassisch-neoklassischen Ökonomik formuliert, die unterschiedlichen Qualitätsmerkmalen der eingebrachten Arbeit keine Beachtung schenkte und in vereinfachender Form für alle Güter Homogenität postulierte. Homogenität eines Gutes bedeutet, dass die Eigenschaften dieses Gutes als stets gleich und transparent angenommen werden. Demzufolge müsste sich auch für ‚die‘ Arbeit ein einheitlicher Preis (also Lohn) einstellen, was aber offensichtlich nicht der Fall ist, da höher Qualifizierte fast immer einen höheren Verdienst erzielen als geringer Qualifizierte. Im Umkehrschluss bekommen Lehren und Lernen, die zur Erlangung der höheren Qualifikation erforderlich sind, den Charakter einer Investition, was in diesem Sinne wieder auf die Arbeiten von Mincer verweist.

Es lassen sich im Rahmen dieser und der weiterführenden Forschung fünf Grundfragen der Bildungsökonomie formulieren. Die Ökonomie der Erziehung stellt zunächst die Frage nach den Kosten, nach den Leistungen und nach dem Verhältnis zwischen Kosten und Leistungen des Erziehungsprozesses:

  • Welche Ausgaben (oder Kosten) verursachen Prozesse der Erziehung und die ihnen zugrundeliegenden Strukturen (z.B. Schulen)?

Spiegelbildlich ergibt sich daraus die zweite Frage nach dem, was sich ökonomisch aus dem Lehr-Lernprozess gewinnen lässt:

  • Welche Erträge (oder Leistungen) sind aufgrund der getätigten ‚Investition‘ in ‚Erziehung‘ zu erwarten?

Diese Fragen können aus einer makroökonomischen wie aus einer mikroökonomischen Perspektive gestellt werden. Dabei hat interessanterweise in der Makroökonomik wie in der Mikroökonomik bislang die Frage nach den ökonomischen Leistungen der Erziehung und keineswegs die nach ihren Kosten überwogen. Der Erziehungsprozess wird aber vereinfachend über den Zusammenhang zwischen Erziehungsausgaben und wirtschaftlichem Wachstum abgebildet. Damit lässt sich eine Kette von Kausalhypothesen folgender Art beschreiben: Man erwartet, dass höhere Ausgaben zu längerer, intensiverer oder qualitativ besserer Erziehung führen, wodurch dann das wirtschaftliche Wachstum überproportional zu den getätigten Ausgaben angeregt wird. Dabei allerdings bleibt die intervenierende Variable – Erziehung – als außerökonomische Größe qualitativ unbeachtet.

Neben den unmittelbaren Auswirkungen, welche Erziehung auf die volkswirtschaftlichen und einzelwirtschaftlichen ökonomischen Strukturen auf der Kosten- und auf der Leistungsseite hat, kann man auf einer zweiten Ebene die Auswirkungen des ökonomischem Handlungsprozesses (des Wirtschaftens) hinsichtlich der ökonomischen Ziele mit den Mitteln der Erziehung untersuchen. Mit anderen Worten: Es sollen verschiedene Formen des ‚Produktionsprozesses’ von Bildung, Kompetenz oder Qualifikation auf ihre ökonomische Wirksamkeit hin untersucht werden. Dafür muss weiterhin ein homogenes und teilbares Gut ‚Bildung‘ oder Gut ‚Erziehung‘ unterstellt werden, was nicht unproblematisch ist (vgl. Bank 2005, S. 213 ff.). Aus der Sicht politischer Verwertbarkeit der Ergebnisse interessieren hauptsächlich die nun folgenden Fragen. Die dritte Frage greift das ökonomische Minimalprinzip auf, während die vierte Frage nach dem ökonomischen Maximalprinzip formuliert ist:

  • Durch welche strukturellen Veränderungen können die Kosten des Erziehens gesenkt werden, oder: Gibt es das Angestrebte auch noch billiger?
  • Durch welche strukturellen Veränderungen können die Leistungen erhöht werden, oder: Geht zu den gegeneben Kosten noch mehr?

Wie diese beiden Fragen zeigen, ist es von der reinen, erkenntnisorientierten Ökonomie der Erziehung zur handlungsleitenden Theorie für Schul- und Hochschulpolitik nur ein kleiner Schritt. Denn während die dritte Frage nach der Kostenminimierung als Reaktion auf wachsenden Druck in den öffentlichen Haushalten zu verstehen ist, gibt die vierte Frage das Ziel der Bildungsexpansion vor, welches bereits in den sechziger und siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts Grundthema der Politik in weiten Teilen der westlichen Welt war.

In den letzten Jahren hat die letzte Fragestellung wieder mehr Beachtung gefunden. Im Sinne des Leistungsausbaus kann man etwa die Bemühungen einordnen, das Schulsystem strukturell zu verändern, wie es schon die seinerzeitige Expansion im Bildungswesen darstellte, die u. a. durch den ‚Sputnik-Schock‘ in Gang gebracht worden war. Fortan war man mit einem bis heute anhaltenden Erfolg bemüht, die Quote der Hochschulzugangsberechtigten und in der Folge die der Akademikerinnen und Akademiker zu erhöhen. Auch der massive Ausbau der Hochschulen in jener Zeit ist zu jenem Aspekt der Ökonomie der Erziehung zu rechnen, mit dem man sich den Leistungsausbau im Schul- und Hochschulwesen zur Aufgabe gemacht hatte.

Zwischenzeitlich jedoch erfolgten mit der Verknappung der verfügbaren Mittel in den öffentlichen Haushalten in annähernd allen Haushaltsbereichen Budgetkürzungen, auch im Bereich der staatlich finanzierten Erziehungseinrichtungen. Dieses Vorgehen entspricht einer Umsetzung des ökonomischen Minimalprinzips. Das bedeutet hier, dass das Leistungsniveau trotz Kostenreduktion im Wesentlichen gehalten werden soll.

Insgesamt ist die Betrachtung isolierter Aspekte jedoch aus ökonomischer Sicht unvollständig. Wenn man etwa die PISA-Ergebnisse als Versuch zur Operationalisierung der Leistungsseite anerkennt, dann zeigt sich, dass der Erfolg des PISA-Siegers Finnland mit überproportional hohen Ausgaben für seine Erziehungseinrichtungen einhergeht. Es genügt mithin nicht allein die Kosten oder allein die Leistungen der Erziehung zu erfassen. Auf diese Art und Weise gerät man schnell in einen Ökonomismus, der meist seine rigide Zielsetzung verfehlen wird. Die fünfte und eigentlich zentrale Frage der Bildungsökonomie müsste also lauten:

  • Wie ist das optimale Verhältnis von Kosten und Leistungen (als Differenz: Leistungen minus Kosten, bzw. als Quotient: Leistungen durch Kosten), oder: Was macht Prozesse der Erziehung effizient?

Wenngleich auch die anderen vier Fragen aus Sicht der ökonomischen Analyse selbstverständlich ihre Berechtigung haben, so ist eine umfassende ökonomische Sicht erst in dieser Frage umgesetzt.

Kritische Einordnung

Die Ökonomisierung im Bildungsbereich – wenn man darunter die Anwendung der genannten ökonomischen Prinzipien im Bildungsbereich versteht – führt zu unterschiedlichen Bewertungen. Zunächst einmal beruht pädagogisches Denken paradigmatisch auf dem ökonomischen Maximalprinzip: Die Lehrenden wollen den Lernenden neue Horizonte erschließen helfen und diese sollen soweit es irgend geht geöffnet werden. Diese aus pädagogisch-professioneller Sicht nötige Grundhaltung wird jedoch einer der Gründe sein, warum sich Pädagoginnen und Pädagogen mit dem so schwer tun, was als ‚Ökonomisierung‘ wahrgenommen wird. Dazu gehören wiederholte Budgetkürzungen, welche die eigenen pädagogischen Handlungsmöglichkeiten mittelbar einschränken. Nicht zuletzt empfinden Pädagoginnen und Pädagogen solche Ereignisse als Ausdruck der Geringschätzung der eigenen Leistung. Dazu gehört aber auch die Wahrnehmung einer Fremdsteuerung, die noch undurchschaubarer und verwertungsorientierter erscheint, wenn sie durch Quasi-Märkte (vgl. zusammenfassend Höhne 2015) statt durch ministerielle Anweisung geschieht.

Dieser professionell durchaus angemessenen Grundhaltung zum Trotz wäre es gleichwohl vollkommen irrrational, das ökonomische Minimalprinzip einfach zu ignorieren. Auch Erziehungspersonen geben für ein und dasselbe Produkt mehr als unvermeidlich aus. Und auch bei Konsumentscheidungen wählen auch Lehrkräfte in rationaler Weise nicht immer nur die besten und teuersten Produkte aus, sondern begnügen sich mit dem Fernseher mit der drittgrößten Bildschirmdiagonale oder dem Fahrrad mit Aluminium- statt mit Carbonrahmen, einfach weil sie das Budget ihres Privathaushalts weniger belasten. So gesehen ist eine Ökonomisierung im Sinne eines reflektierten Umgangs mit den (meist vom Steuerzahler) bereitgestellten und nicht unbegrenzten Ressourcen sogar begrüßenswert.

Die Berücksichtigung ökonomischer Bedingungen führt hingegen mitunter zu Fehlsteuerungen. Das soll heißen, dass der Sinn der Erziehungsvorgänge ignoriert oder schlimmstenfalls untergraben wird: Lieber werden Schulen geschlossen, als kleinere Klassen eingerichtet – es wird also nach dem ökonomischen Minimalprinzip gehandelt. Lieber werden nach dem gleichen Prinzip nach jedem unbequemen Release von PISA der OECD Lehrkräfte medial geteert und gefedert, in der Hoffnung, dass sie ihre Schülerinnen und Schüler in der nächsten Runde zu besseren Leistungen antreiben, Hauptsache, es wachsen keine zusätzlichen Positionen für die Landeshaushalte auf.

Dem Anliegen insbesondere des Erziehungsziels ‚Bildung‘ sind Versuche wie der einer Steuerung der Erziehungsinstitutionen und der Erziehungsvorgänge über Quasi-Märkte unangemessen. Sie limitieren die Setzung didaktischer Ziele vermittels intransparenter ökonomischer Wirkmechanismen statt über politisch legitimierte offen vorgegebene Erziehungsziele. Dazu gehört dann auch die diesen Zielen angepasste und insofern meist verknappte Bereitstellung von Ressourcen. Ist eine rechtliche Rahmenordnung für das Funktionieren von Märkten wichtig, so ist angesichts der Vielfalt und Unterschiedlichkeit von Quasi-Märkten ein überschaubarer rechtlicher Rahmen quasi unmöglich. Daher erwächst hieraus ein besonderes Risiko von Fehlsteuerungen aufgrund von einseitig wahrgenommenen Anreizen.

Es sind also im Zuge der Ökonomisierung des gesellschaftlichen Subsystems ‚Erziehung‘ eine funktional zielführende und eine dysfunktionale Praxis der Ökonomisierung zu differenzieren. Der dysfunktionale Gebrauch führt insofern zum Ökonomismus, als Entscheidungen nach vorrangig sachfremden Erwägungen getroffen werden, die überdies häufig auf einem sehr eng gezogenen zeitlichen Horizont gründen. Sie sind daher nur vordergründig ökonomisch, ohne dass dies problematisiert würde. Ein solcher Ansatz ist sinnentleert, führt typischer Weise zu einseitig kostenrechnerisch legitimierten Entscheidungen und daher zu Fehlallokationen. Sehr häufig genügt schon die Steuerung über isolierte Kostenvariablen oder einzelne Leistungsvariablen der Erziehung, um eine Fehlsteuerung auszulösen. Obwohl oft die Steuerung rein auf ökonomische Indikatoren abgestellt ist, kommt es paradoxerweise auch aus rein ökonomischer Sicht zu Fehlentscheidungen: Am Ende wird durch die Fehlsteuerung das angestrebte Erziehungsziel verfehlt, was keinem Kriterium ökonomischen Denkens genügen würde. Dennoch ist ein more of the same die gewöhnliche Reaktion der Entscheidungsträger.

Die funktionale Praxis der Ökonomisierung führt zur Ökonomität im Erziehen (vgl. die Opposition Ökonomität vs. Ökonomismus zuerst bei Bank 2005, S. 20 ff.). Es werden Entscheidungen für oder gegen bestimmte erzieherische Einhilfen, Entscheidungen über die Art und Inhalte erzieherischer Aktivitäten auf eine stärker subjektive Perspektive abgestellt. So wird eine Bildungsökonomie sui generis möglich, die keine allgemeine Ökonomie der Erziehung ist, denn sie trägt der Subjektivität und der Singularität des Phänomens ‚Bildung‘ als Ziel aller Erziehungsbemühungen Rechnung. Wenn man ‚Bildung‘ als etwas bestimmt, was den Einzelnen dazu befähigt, in der Gesellschaft mitsamt ihrer technischen, sozialen und religiösen Bedingungen eigenständig und eigenverantwortlich sachgerecht zu handeln, dann ist es nicht nur eine Frage subjektiven Erlebens, welchen Nutzen man erhält, sondern auch eine Frage subjektiven Erlebens, welchen Einsatz man erbringt, um sich zu bilden.

Eine so angelegte Bildungsökonomie stellt das Individuum nicht nur in das Zentrum der Erziehungsbemühungen, sondern auch in das Zentrum ihres ökonomischen Kalküls. Anders als das die klassisch-neoklassische Ökonomik vorsieht, ist aufgrund der Vernetzungseffekte, die sich bei Prozessen einstellen, die auf Bildung abzielen (nicht aber auf funktional hergeleitete Qualifikationen) eine vollkommen andere ökonomische Bewertung der zugrundeliegenden Lehr-Lern-Prozesse möglich. ‚Bildung‘ ist offen. Sie hat – anders als die konkurrierenden Erziehungsziele ‚Qualifikation‘ und ‚Kompetenz‘ – keine natürliche Obergrenze ihres Nutzens. Aus diesem Grunde stellt sie auch ökonomisch einen Sonderfall dar.

Volker Bank

Literatur

  • Bank, Volker (Hg., 2005) Vom Wert der Bildung. Bern u.a.: Haupt.
  • Bank, Volker (2011) Bildung und Effizienz. Norderstedt: bod.
  • Becker, Gary S. (1964) Human Capital. New York: Columbia University Press.
  • Denison, E. F. (1962): The Sources of Economic Growth in the United States and the Alternatives Before Us (Suppl. Paper No. 13). New York: Committee for Economic Development.
  • Höhne, Thomas (2015) Ökonomisierung und Bildung. Wiesbaden: Springer VS.
  • Mincer, Jacob (1958) Investment in Human Capital and Personal Income Distribution, in: Journal of Political Economy 66 (1958), Nr. 4, S. 281-302.
  • Schultz, Th. W. (1960): Capital Formation by Education, in: The Journal of Political Economy 68 (1960), 6, 571-583.

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