In den letzten 10-15 Jahren hat ein Management-Vokabular jenseits der Wirtschaft in Gesellschaft, Kultur und Politik Platz gegriffen, das eine „Hegemonie des managerialen Denkens in nahezu allen Lebensbereichen“ (Bröckling 2000: 131) anzeigt:
„Geht man nach dem Sprachgebrauch, werden inzwischen nicht nur Wirtschaftsunternehmen gemanagt, sondern auch die Karriere, der Familienalltag und Beziehungsprobleme, Behörden ebenso wie Bürgerinitiativen. Kein Krankenhaus ohne Pflegemanagement, keine Theatergruppe ohne Kultur-, keine Hochschule ohne Bildungs- und keine Volkshochschule ohne Weiterbildungsmanagement; selbst die militärische Fortsetzung der Außenpolitik firmiert nicht als Krieg, sondern als Krisen- oder Konfliktmanagement (ebd.).
Diese Hegemonie des Managements wird kritisch u.a. als Managerialismus bezeichnet oder auch als Managerialisierung, um den Veränderungsprozess in Richtung einer Durchsetzung von Managementpraktiken zu beschreiben. Damit sind Veränderungen auf zwei Ebenen angesprochen: Zum einen auf der Ebene des Subjekts, individueller Verhaltensweisen und Handlungen und zum anderen auf der Ebene von Organisationen wie Schule oder Betrieb, in denen die Managerialisierung veränderte Organisationsabläufen, Arbeits- und Kommunikationsformen bezeichnet. In der Realität handelt es sich um die beiden Seiten einer Medaille, da entsprechende Veränderungsanforderungen an Individuen als Professionelle vor allem in organisationalen Kontexten adressiert werden. Managerialisierung, so eine zentrale These, bezieht sich auf die Umschreibung des Professionsverständnisses und der professionellen Handlungslogik (Tacke 2005: 186).
Wenn man Management in einem elementaren Sinne zunächst einmal als ein Set an praktischen Regeln und Rezepten, unternehmerischen Visionen und Durchsetzungswillen, erfolgsorientierten Handlungszielen und ökonomischen Strategieerwägungen begreift, so ist zu fragen, wie dieser hybride Komplex aus Diskursen, normativen Setzungen und Praktiken zu seiner hegemonialen Vormachtstellung gelangt ist. Ein Teil der Erklärung liegt in dem suggestiven Pragmatismus, der mit dem Managen als Umgangsweise und eine Art, Ziele zu erreichen und Probleme zu lösen verknüpft wird:
„Mit Management verbinden sich positiv besetzte Assoziationen wie Klarheit, Unkompliziertheit, Sachlichkeit, Kompetenz und Effizienz. Management präsentiert sich als Kategorie des kalkulierten Fortschritts und ist als solche nicht nur der Legitimationspflicht enthoben, sondern verfügt selbst über ein beachtliches Legitimationspotential“ (Bröckling 2000: 131 f.).
Wichtig scheint hierbei noch die optimistische Haltung oder genauer: der Zwang zur Zuversicht zu sein, die mit dem Begriff des ‚Managens’ vermittelt wird. Zu suggerieren, dass ‚man es schaffen kann’, ob vom Tellerwäscher zum Millionär aufzusteigen, aus einfachen Verhältnissen zu kommen und über Studium und Qualifikation auf eine Hochschulprofessur für theoretische Physik zu gelangen oder einen Betrieb durch entsprechendes Strategiemanagement aus der Krise zu führen – in solchen Diskursen wird eine unternehmerische Haltung, ein ungebrochener Wille und Zielrigorismus sowie ein offensiver Problemumgang normativ konstruiert. Der genuine soziale Ort an dem diese Haltung kultiviert und als Normdisposition vorausgesetzt wird, ist die Ökonomie.
Managementdiskurse bearbeiten gerade die angedeutete Schnittstelle von Organisation und Subjekt, die auch professionelles Handeln kennzeichnet und liefern eine Semantik, die beide Ebenen zusammenführt und zugleich verschwimmen lässt. Es sind dann nicht mehr nur Individuen, sondern auch Organisationen, die lernen und eine Identität ausbilden. Eine neue Entwicklung in dem Zusammenhang ist die Veralltäglichung einer managerialen Haltung in den 1990er Jahren über den professionellen Handlungsbereich hinaus, die auf eine Reinstitutionalisierung des Lebenslaufs zielt. Dazu hat u.a. die Kompetenzorientierung in Wissenschaft und Politik beigetragen, mit der eine Haltung des individuellen Managens von Lebenslauf, Weiterqualifikation und lebenslangen Lernens rationalisiert wird.
Für den französischen Soziologen François Dubet geht daher die aktuelle Transformation von Institutionen grundlegend mit einer veränderten bzw. erweiterten Form der Rationalisierung einher, die nicht mehr nur die Integration ‚von anderen’ einschließt, sondern auf die Fähigkeit setzt, „sich selbst zu integrieren“ (Dubet 2003: 85). Zu diesem Zweck sei jeder aufgefordert, dass er „seine Interessen, welche immer es auch sein mögen, vermittels von Beziehungen befördert, die mit Begriffen wie Dienstleistungen, ‚Verträge’ oder ‚Projekte’ bezeichnet werden“ (ebd.). In diesem Prozess der Expansion sozialen (Selbst)Managements werde „die Sprache der Moral und der Kontrolle durch die Sprache des Vertrags und des Projekts ersetzt“ (ebd.: 86). Die forcierte Veränderung von Institutionen oder Organisationen nach dem managerialen Modus setzt demnach auf Formen der Kooperation und Selbstorganisation. Dabei werden Autonomiepostulate aber weiterhin auch mit Kontrollinstrumenten gekoppelt, um eine Überprüfung des Outputs zu ermöglichen.
In der Ökonomie wird mit ‚Management’ eine Klasse Professioneller mit primär betriebswirtschaftlicher Expertise bezeichnet, die ein Unternehmen strategisch führen und zum Zweck der Profitmaximierung steuern. Wie hat sich die Gruppe der Manager historisch entwickelt und durchgesetzt? Gegenüber dem klassischen Familienunternehmen ‚aus einer Hand’ hat sich seit der Einführung und Entwicklung des scientific managements zu Beginn des 20. Jahrhunderts (Taylorismus) zum einen eine Professionalisierung betriebswissenschaftlicher Unternehmensführung durchgesetzt, die zum anderen durch Veränderungen des ökonomischen Feldes selbst zu einer Professionalisierung von Unternehmensführung geführt hat. Diese Strukturveränderungen großer Unternehmen in den 1960er Jahren werden etwa auf die Diversifizierung von Unternehmen, Rückgang privater Einzelbetriebe, neue Rechtsformen (z.B. Holdings), neue Kooperationsformen zwischen privatem und staatlichem Sektor zurückgeführt (Bourdieu u.a. 1981: 25). Durch den erhöhten bürokratischen Aufwand der komplexer gewordenen Unternehmensstruktur wurden verstärkt administrative Kompetenzen nachgefragt, die vor allem in entsprechenden Ausbildungen an den französischen Elitehochschulen erworben werden konnten (ebd.: 28). Diese Professionalisierung der Unternehmensführung war neben anderen Strukturveränderungen für den Aufstieg des modernen Unternehmensmanagements verantwortlich (ebd.: 30), mit dem auch eine eigene Unternehmensphilosophie kultiviert werden konnte. De facto beruht diese Entwicklung insgesamt auf einer Trennung von Eigentümerschaft und professionell-strategischer Führung des Unternehmens.
In einem erweiterten Sinne geht es beim ‚Managen’ um unternehmerische Programmatiken und Programme, die für viele PolitikerInnen mittlerweile zur Fluchtburg für Lösungen von (bildungs-)politischen Steuerungsproblemen geworden sind. Unternehmen und deren strategische Führung durch ein starkes Management gelten hierbei als Modell für andere Organisationen, darunter mittlerweile auch Bildungsorganisationen wie Schulen und Universitäten. Die Einführung von Managementkonzepten in außerökonomischen Organisationen vollzieht sich zumeist unter den Vorzeichen von Qualität:
„Managementmethoden entstehen, veralten und lösen einander ab, und sogn. ‚best-management-practices’ verbreiten sich rasch in und zwischen einander beobachtenden Wirtschaftsorganisationen. Dieser Imitationsprozess überschreitet nicht nur territoriale, sondern auch sektorale Organisationsgrenzen. So findet gegenwärtig unter dem Stichwort ‚organisationale Innovation’ die diskursive Infragestellung tradierter Identitätskonzepte und Handlungsweisen ganz unterschiedlicher Organisationen statt. Krankenhäuser, Schulen, öffentliche Verwaltungen und andere Organisationen, die nicht dem Wirtschaftsbereich zuzurechnen sind, orientieren sich mehr und mehr an Qualitätsmanagementsystemen, die aus diesem Bereich entstammen und ihnen von Unternehmensberatungen empfohlen werden. Das Konzept des ‚Total Quality Management’ zum Beispiel wurde ursprünglich für Wirtschaftsorganisationen kreiert und rechtlich in den ISO 9000er Normen kodifiziert“ (Hasse/Krücken 2005: 136).
Wichtiger Indikator in dem Zusammenhang ist die Stärkung der Leitungsebene und der Abbau partizipativer demokratischer Gremienstrukturen. So findet sich im Hochschulbereich mit dem Hochschulrat, der Stärkung der Leitungsebene und der strategischen Profilorientierung eine manageriale Unternehmensinfrastruktur nach dem Vorbild der Aktiengesellschaft mit Aufsichtsrat (= Hochschulrat) und Management (= Hochschulleitung), bei dem Studierende zu Kunden werden, die für die Dienstleistung ‚(Aus-)Bildung’ bezahlen (= Studiengebühren).
Im Bildungsbereich wird der Managerialismusbegriff verwendet, um eine Reihe ‚managerialer Praktiken’ im Schul- und Hochschulbereich zu beschreiben. Man kann daher die Managerialisierung in Bildungsorganisationen als Rationalisierung von Bildung insgesamt begreifen, die verschiedene Ebenen institutioneller Veränderung, Praktiken und individuellen Handlungen und Selbstbeschreibungen umfasst: Optimierung von Zeit und ‚Output’ auf Seiten der Studierenden, die optimierte und zukunftsorientierte private Bildungsplanung in der Familie, effiziente Führungsstrategien des Schulmanagements oder die tragfähige Forschungsstrategie zur Erlangung des Exzellenzstatus einer Universität stellen solche managerialen Optimierungsideale in vielfältiger Weise dar. Insofern bezeichnet der Begriff des ‚Managerialismus’ nicht nur die Expansion von Managementpraktiken und -instrumenten in Organisationen, sondern bezieht sich auch auf die Kultivierung eines „unternehmerischen Selbst“ (Bröckling 2007) als Formatvorlage für Selbst- und Fremdbeschreibungen.
Für Sharon Gerwitz steht die Durchdringung des Schulbereichs mit managerialen Prinzipien und Steuerungsformen zudem für eine drastische Veränderung der traditionellen Schule. Daher spricht sie von einem neuen Schultyp, der „managerialen Schule“ (Gerwitz 2003: 21), die sie als Teil einer post-wohlfahrtsstaatlichen Bildungssteuerung begreift:
„Der postwelfarist education policy complex (…) beinhaltet eine Vielzahl disparater Elemente (…). Neben den Diskursen um Auswahl und Vielfalt ist dieser Komplex von einem utilitaristischen Diskurs über Effizienz, Effektivität, Leistung und Produktivität durchdrungen (…), während die zentrale Kontrolle über das Schulsystem durch Mechanismen wie das nationale Curriculum, nationale Prüfungen und die Standardisierung der Lehrergrundausbildung erhöht wird. Gleichzeitig soll der Markt als Instrument zur Ressourcenallokation dienen, mit dem die Ressourcen von den ‚schlecht-funktionierenden’ (unpopulären) Schulen weggenommen und den ‚gut-funktionierenden’ (populären) zugeführt werden sollen. Innerhalb der Schulen wird die effiziente Nutzung der Ressourcen verstärkt, in dem den Schulleitungen die Kontrolle über die Schulbudgets übertragen wird und durch den finanziellen Anreiz der per capita Finanzierung Ressourcen verstärkt in der Weise genutzt werden, die zu einer Verbesserung der Leistung führt (…): Eine Schlüsseltechnik des Managerialismus besteht in der Schaffung interner Märkte innerhalb der Schulen selbst, in denen die unterschiedlichen Fachbereiche untereinander um Ressourcen konkurrieren (…): Die Intensivierung der Arbeitsprozesse der Lehrer, die schulinternen Märkte und die Fokussierung auf die Examensergebnisse wirken alle zusammen gegen die Entwicklung gemeinsamer fächerübergreifender Projekte und tragen zum Rückgang des Sozialen im Schulleben bei (…)“ (Gerwitz 2003: 21-24)
Über den Managerialismus werden innere und äußere Märkte in den Bildungsinstitutionen erzeugt, d.h. dass das Wettbewerbsprinzip den gesamten Bildungsbereich durchdringt. Hierbei wirken, wie Gerwitz klar macht, verschiedene Faktoren, Logiken und Akteure in einem „Komplex“ zusammen. Es geht also nicht nur um den „Aufmarsch der Manager im Erziehungssystem“ (Radtke 2009), sondern um eine Managerialisierung des gesamten Bildungs- und Erziehungssystems bis auf die Ebene individuellen Handelns, Planens und Selbstbeschreibungen. In Anlehnung an Michel Foucault muss diese umfassende Managerialisierung als eine Verallgemeinerung von Führungstechniken begriffen werden, die Selbst- und Fremdführung einschließt, und eine Optimierung des Selbst zum Ziel haben. Bildung stellt für dieses Ziel ein zentrales Medium dar, aber auch eine Arena, in der die Managerialisierung sowohl einer grundlegenden Kritik unterzogen wurde (z.B. Bröckling 2007) als auch kritisch für den Bildungsbereich reflektiert wurde (Höhne/Schreck 2009, Tacke 2005, Gerwitz 2003).
Thomas Höhne
Literatur
Bourdieu/Botanski/de Saint Martin/Maldidier (1981): Über die Reproduktion sozialer Macht. Frankfurt Main: Europäische Verlagsanstalt.
Bröckling, Ulrich (2000): Totale Mobilmachung – Menschenführung im Qualitäts- und Selbstmanagement. In: Bröckling, Ulrich/Krasmann, Susanne/Lemke, Thomas (Hrsg.): Gouvernementalität der Gegenwart. Frankfurt. S. 131-167
Bröckling, Ulrich (2007): Das unternehmerische Selbst. Frankfurt Main: Suhrkamp
François Dubet (2003): Normenkonflikte und Zerfall der Institution. In: Mitteilungen des Instituts für Sozialforschung, Frankfurt Main. H 14. S. 73-102.
Gerwitz, Sharon (2003): Die managerialistische Schule: Konsequenzen und Widersprüche der Post-Wohlfahrtsstaatlichkeit in der Bildung. In: Widersprüche, 89, S. 19-38.Hasse, Raimund/Krücken, Georg (2005): Neo-Institutionalismus. Bielefeld: transcript.
Höhne, Thomas/Schreck, Bruno (2009): Private Akteure im Bildungsbereich. Eine Fallstudie zum schulpolitischen Einfluss der Bertelsmann Stiftung am Beispiel von SEIS. Weinheim/München: Juventa
Radtke, Frank-Olaf (2009): Evidenzbasierte Steuerung – Der Aufmarsch der Manager im Erziehungssystem. In: Tippelt, Rudolf (Hg.): Steuerung durch Indikatoren. Opladen & Farmington Hills: Barbara Budrich. S. 157-180
Tacke, Veronika (2005): Schulreform als aktive Deprofessionalisierung? In: Klatetzki, Thomas/Tacke, Veronika (Hg.): Organisation und Profession. Wiesbaden: VS-Verlag. S.165-199.
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