Privatisierung

Einleitung

Sie heißen Phorms Holding SE, BildungsCent, TÜV SüdAG, Scoyo GmbH oder Lehrcare und sind privatwirtschaftliche Anbieter auf einem expandierenden Schulmarkt, der mit immer neuen Dienstleistungen aufwartet, die Eltern, Lehrer_innen und Schulen erwerben können. Dabei beschränkt sich diese Entwicklung nicht nur auf die stark gestiegene Zahl privater Universitäten oder das expandierende Privatschulwesen. Vielmehr hat sie sich auch auf klassische Bereiche der Schulversorgung wie den Schulbuch- und Bildungsmedienbereich ausgedehnt. Denn auch alteingesessene Schulbuchverlage wie Klett und Cornelsen haben sich mittlerweile zu überregionalen Bildungsdienstleistern mit einem umfangreichen Globalangebot entwickelt. Dazu gehören neben dem traditionellen Schulbuchgeschäft E-Learning-Plattformen, Weiterbildungen für Lehrer_innen sowie Komplettangebote für Schulen, die von digitalen Ergänzungsangeboten für die eigenen Schulbücher bis hin zu digitaler Nachhilfe reichen. Neben den privaten Hochschulen ist es aber auch die zunehmende Zahl an privaten Anbietern von Berufsakademien sowie in der Berufs- und Weiterbildung, welche die Marktbildung und die Privatisierung von Bildung vorantreiben. Für schulische Bildungsmedien kann dies exemplarisch verdeutlicht werden: Der Klett-Verlag bietet das erste Mathe- Online-Portal für die Grundschule an – Drei-MausKlicks.de genannt. Das Portal enthalte eine „Fundgrube für die Unterrichtsvorbereitung und den Unterricht“ (vgl. GEW 2010: 45), so das Werbeversprechen. Dazu gehöre ein Lern-/Diagnoseprogramm mit Schülerverwaltung und Auswertungstool. Lehrkräfte hätten darüber hinaus die Möglichkeit, sich mit anderen Nutzern in einem Forum auszutauschen. Das Jahresabonnement kostet 39 Euro, Referendare zahlen 15 Euro im Jahr. Die Schullizenz, die bis zu 20 Lehrerinnen und Lehrern den Zugriff erlaubt, kostet 99 Euro pro Jahr (ebd.). Dieses Beispiel verdeutlicht, dass ein breiter Bildungsmarkt im Entstehen begriffen ist, in dem Schulen und Lehrer_innen z.T. umfassende Angebote von Seiten privater Unternehmen gemacht werden. Aufgrund der Autonomiepolitik, durch welche die Einzelschule Freiheiten hinsichtlich Selbstbudgetierung, Schulprogramm und Profilbildung erhält, werden vor allem die Einzelschulen für privatwirtschaftliche Bildungsunternehmen zu potenziell lukrativen Geschäftspartnern. Dies treibt eine Individualisierung der Schulen im Sinne einer Marktdifferenzierung insofern voran, als Schulen sich gerade im Verbund mit Bildungsdienstleistern gegenüber anderen Schulen profilieren können, weil die Palette an Bildungsdienstleistungen für Eltern als potentiellen Kunden der Schulen erweitert werden kann. Es führt darüber hinausgehend auch zu Strategien des Outsourcings und damit zur Verlagerung inhaltlicher und methodisch-didaktischer Verantwortung der Schulen an private Unternehmen in dem Maße, in dem diese zu festen Kooperationspartnern werden. Denn jede Unterstützungsleistung, die von einer Schule oder einem/einer Lehrer_in ‚eingekauft’ wird (z.B. Vorbereitung für landesweite Zentraltests, Klassenarbeiten oder Aufgaben in Klassensätzen), kommt einer Auslagerung von Kompetenzen und Wissen gleich. Von dieser Entwicklung sind langfristig Effekte einer Veränderung von Professionalisierung bis hin zu einer Deprofessionalisierung zu erwarten.

Privatisierungsbegriff und -diskurs(e)

Privatisierung verweist vom Wortursprung her sowohl auf das lateinische ‚privatus’, was ‚eigen’, ‚getrennt’ bzw. ‚einer einzelnen Person gehörig’ bedeutet, als auch auf ‚privare’ mit der Bedeutung von ‚berauben’, ‚absondern’, aber auch ‚befreien’. Private Dinge sind daher von den ‚öffentlichen Dingen’ zu unterscheiden, die eine eigene politische Sphäre der ‚res publica’ im Unterschied zur ‚Privatsphäre’ bilden. Wenn Dinge als öffentlich und im öffentlichen Eigentum stehend verstanden werden, dann stellt jeder Akt der Privatisierung, d.h. der privaten Aneignung oder Übertragung von Eigentumsrechten prinzipiell eine öffentliche Enteignung und ‚Besonderung’ dar. Dieses weite Bedeutungsspektrum zeigt die Ambivalenzen des Diskurses, bei dem der Privat(heits)begriff semantisch zwischen ‚der Öffentlichkeit entzogen’, ‚beraubt’ und ‚abgesondert’ auf der einen Seite und ‚eigen’ bzw. ‚befreit’ changiert. Denn sowohl nach antiker Demokratietheorie wie auch in der Konzeption der frühmodernen bürgerlichen Gesellschaft zeichnet der individuelle Besitzstand zugleich den Freiheitsgrad des ‚freien (männlichen!) Bürgers’ aus – wobei Eigentum im Sinne öffentlichen Eigentums nicht mit ‚Besitz’ gleichzusetzen ist, denn bei den ‚öffentlichen Dingen’ handelt es sich um ‚Güter’ und nicht um persönlich erworbene Besitztitel (Waren, Patentrechte usw.). Diese Differenz(ierung) läuft letztlich im Hintergrund immer auch bei der Privatisierungskritik mit, wenn etwa im Rahmen global organisierter Privatisierungen, wie sie u.a. von transnationalen Akteuren wie WTO oder IWF vorangetrieben werden, von einer globalen „Enteignungsökonomie“ (Zeller 2006) gesprochen wird. Wenn sich auch die Privatisierung in internationaler Perspektive bis in die 1960er Jahre zurückverfolgen lässt (Huffschmid 2005: 148), so ist seit den 1980er Jahren die großflächige Privatisierung öffentlicher Güter ein globales Phänomen, das zum einen mit den Krisen der 1970er Jahre und den nationalstaatlichen Restrukturierungen zu tun hat (Abbau und der Privatisierung sozialstaatlicher Leistungen, vom Welfare zum Workfare-State) und zum anderen mit der erwähnten Liberalisierung, Deregulierung und Schaffung transnationaler Märkte und regionaler Blöcke (NAFTA, EU), die zu einer Globalisierung von Wettbewerb und Konkurrenz geführt haben. Sie umfasste zunächst die Güterproduktion, der in den 1990er Jahren schließlich die Deregulierung und Privatisierung von Dienstleistungen folgte. Steuerungstheoretisch kann Privatisierung als „die Einführung gewinnorientierter Steuerung in Bereichen“ definiert werden, die „bisher an Kriterien des Gemeinwohls ausgerichtet waren“ (Huffschmid 2005: 148). Die erhofften oder unterstellten Steuerungswirkungen einer Qualitätssteigerung von Produkten und Dienstleistungen, mit denen Privatisierung in der Regel legitimiert wird, sind im Bildungsbereich nicht belegt (Klausenitzer 2004: 145). Vielmehr zeigen selbst neueste empirische Ergebnisse der OECD, dass etwa Privatschulen – zieht man den kapitalen soziokulturellen Vorsprung ab, den sie aus ihrer privilegierten Klientel beziehen – keine höhere Leistung für sich verbuchen können (OECD 2013). Die Steigerung von Leistung und Qualität ist in der Regel mit einer wettbewerbsökonomischen Argumentation verbunden, für welche die Erhöhung der Zahl privater Anbieter als Voraussetzung für die Etablierung eines entsprechenden ‚Anreizsystems’ erachtet wird. Ohne hier nach den weitergehenden Implikationen zu fragen, werden die Interdependenzen zwischen Wettbewerbsteuerung und Privatisierung bzw. die Verknüpfung beider Elemente im bildungspolitischen Diskurs sichtbar, die weniger empirischen Belegen geschuldet sind, sondern vielmehr einer politischen Durchsetzungsstrategie mit dem Ziel einer grundlegenden Reorganisation des Bildungsfeldes. Mit Zymek kann man auch von einer „Repartikularisierung“ des universalistisch-staatlichen Schulsystems sprechen (Zymek 2000), d.h. die Privatisierung und Vermarktlichung bedingen sich im Kontext gegenwärtiger Bildungsreformen gegenseitig. Hierbei geht es nicht nur darum, dass die Zahl profitorientierter Privatschulen steigt, sondern dass lediglich die politisch gesteuerte und ermöglichte Zunahme alternativer Schulen einen Wettbewerbseffekt erzeugt, in dem die Differenz privat/öffentlich nachhaltig zum Tragen kommt – und zwar in jeder einzelnen Bildungsentscheidung, die Eltern für eine Privatschule und gegen das (vermeintlich) schlechtere öffentliche Schulsystem treffen. Bildungsentscheidungen dieser Art sind nicht nur individuellen Optionen oder Präferenzen, sondern in letzter Instanz ‚Systementscheidungen’, die in der Vielzahl der augenscheinlich unabhängig voneinander getroffenen Entscheidungen ‚public-choice’-Effekte darstellen. Auf diese Art können Bildungssysteme ‚von unten’ restrukturiert werden, wenn Eltern durch entsprechende Schulwahl ‚mit den Füßen’ abstimmen. In der gütertheoretischen Perspektive sind vor allem zwei Merkmale von Privatisierung hervorzuheben:

„Privates Eigentum erlaubt dessen exklusive Nutzung, also den Ausschluss aller, die nicht bezahlt haben (exclusion principle), und die Nutzung der Güter und Dienstleistungen muss nicht mit anderen geteilt werden (rivalry in consumption-principle)“ (Altvater 2006: 176)

Übertragen auf den Bildungsbereich bedeutet dies, dass öffentliche Bildungssysteme niemanden vom Zugang zu Bildung ausschließen dürfen und dass es keine Konkurrenz um den Zugang geben darf. Dies verweist auf das Problem der Knappheit, die eine politische Definitionssache ist und daher in hohem Maße politisch reguliert ist: Sind Güter der allgemeinen Daseinsvorsorge wie Gesundheit, Infrastruktur, Energie oder Bildung der marktwirtschaftlichen Knappheits-Logik zu unterwerfen oder müssen sie durch den Staat gesichert werden? Hier muss differenziert werden, denn Privatisierung im Bildungsbereich bedeutet – anders als bei anderen privatisierten Dienstleistungen wie Gesundheit oder Altersvorsorge – nicht automatisch, dass Personen vom Zugang komplett ausgeschlossen werden. Denn weltweit sind alle Bildungssysteme eine Mischung aus öffentlichen und privaten Institutionen, d.h. dass es, nationalstaatlich betrachtet, keine vollkommen privatisierten Bildungssysteme gibt. Vielmehr sind es strukturell drei Momente, nach denen sich öffentlich-private Bildungssysteme differenzieren lassen:

1. Der Grad der Privatisierung etwa im Schulbereich, durch den sich nationale Schulsysteme unterscheiden (Weiß/Steinert 2000),

2. Das spezifische Zusammenspiel und die bildungspolitische Arbeitsteilung privater, zivilgesellschaftlicher und staatlicher Akteure

3. Die Privatisierungsformen in unterschiedlichen bildungspolitischen Sektoren wie schulische Bildung, universitäre Bildung, Weiterbildung oder berufliche Bildung.

Spielarten der Privatisierung

Es ist deutlich geworden, dass sich Privatisierung im Bildungsbereich nicht auf formale Veränderungen (Übertragung von Eigentumsrechten, Änderung der Rechtsform) oder Profitorientierung beschränken kann,

„denn gegenwärtig steht nicht in erster Linie eine Privatisierung der Bildungsinstitutionen im engeren rechtlichen Sinne im Vordergrund (…) Es geht vielmehr um die systematische Einführung ökonomischer Steuerungselemente und Anreizsysteme, die Wettbewerb induzieren und Märkte vorbereiten sollen“ (Ptak /Aghamiri 2013: 280).

Ralf Ptak und Kathrin Aghamiri sprechen in dem Zusammenhang treffend von „struktureller Ökonomisierung in den Bildungsinstitutionen“ (ebd.). Hierbei ist anzumerken, dass Privatisierung – wie oben schon erwähnt – eine eigene rationalisierende Dynamik etwa in Form der bildungspolitisch gesteuerten Vergrößerung des Privatschulangebots erzeugt, das komplementär zur Wettbewerbssteuerung hinzukommt. Ein Markt braucht atomisierte Entscheidungsträger, eben die einzelnen Kunden und die politische Erhöhung des Angebots an privater Bildung. Dies erzeugt die Nachfrage, die für eine Vermarktlichung von Bildung notwendig ist. Märkte sind in hohem Maße politisch konstruiert und gesteuert, wozu Privatisierung und Wettbewerbssteuerung auf eine jeweils spezifische Art beitragen. Wenn von Privatisierung gesprochen wird, so werden in der Regel drei Privatisierungsarten unterschieden: Die formelle Privatisierung oder Organisationsprivatisierung (z.B. Regiebetrieb, Eigenbetrieb mit staatlicher Finanzierung), die funktionale Privatisierung (Contracting-out, Outsourcing mit weiterhin bestehender staatlicher Verantwortung) und die materielle Privatisierung (Übertragung von Rechten an private Dritte). Im Bildungsbereich werden vor allem zwei Privatisierungsstrategien genannt: Private Akteure erbringen entweder im Bereich der Leistungserstellung private Dienstleistungen oder werden an der Bildungsfinanzierung beteiligt (vgl. Weiß 2001). Hierbei sind wieder ganz unterschiedliche Formen denkbar:

1. Es kann ein Markt von Bildungsdienstleistungen geschaffen werden wie etwa der Bereich der privaten Nachhilfe

2. Die Einbindung von privaten Non-Profit-Organisationen wie Stiftungen ist möglich

3. Es können staatliche Bildungsgutscheine ausgegeben oder Gebühren erhoben werden (Kindergarten, Hochschule), wodurch die Nutzer von Bildungsleistungen zu Kunden werden oder

4. Es kann die Auslagerung bestimmter Aufgaben an privatwirtschaftliche Akteure erfolgen (Outsourcing, Contracting-Out).

Die Differenzierung unterschiedlicher Privatisierungsformen ist wichtig, denn erst mit einer entsprechenden Unterscheidung werden unterschiedliche Marktbildungsprozesse erfasst. So entstehen Märkte im Bildungsbereich so gut wie überhaupt nicht über Preisbildung, die komplette Märkte kennzeichnet, sondern etwa in Form sogn. Quasi-Märkte, welche die Folge der Veränderungen politischer Regulations- und Steuerungsformen sind. Die „Vermarktlichung von öffentlichen Gütern“ werde, so Reinhold Sackmann, nur über die Schaffung „politischer Märkte“ realisiert wie z.B. in Form eines staatlich regulierten Gutscheinsystems (Sackmann 2004: 65). Bei Quasi-Märkten handelt es sich um ein hybrides Steuerungssystem, das marktwirtschaftliche und staatlich-bürokratische Steuerungselemente kombiniert“ (Weiss 2001: 70). Hierbei erfolgt die Leistungserstellung unter Wettbewerbsbedingungen, aber sie wird staatlich finanziert und kontrolliert (ebd.). Innerhalb eines „breiten Spektrums öffentlich-privater Kooperationen“ (Sack 2007: 260) finden sich neben den Privatisierungsformen, die mit einer rechtlichen Veränderung einhergehen, aber auch „schleichende Form(en) von Privatisierung“ (ebd.: 256), die auf weniger sichtbaren „dichten Kooperationen“ (ebd.: 260) zwischen Wirtschaft und Staat beruhen und für die Bildung und ihre Institutionen von besonderer Bedeutung sind. Diese Privatisierungsformen werden mit der einfachen Unterscheidung von gewinnorientiert/nicht-gewinnorientiert nicht nur unzureichend erfasst, sondern führen bisweilen sogar in die Irre. Denn private Akteure koppeln ihre Interessen oftmals strategisch von reiner Profitorientierung, d.h. ökonomischem Kapital ab. So besteht das eigentliche Kapital großer Unternehmensstiftungen wie Bertelsmann oder Robert Bosch nicht alleine im ökonomischen Kapital des Stiftungsvermögens, sondern im Reputationsgewinn und in der Anerkennung, die sie als ‚Akteure mit Verantwortung’ in der Öffentlichkeit erfahren. Und Öffentlichkeit meint hierbei vor allem die mediale Präsenz, die durch ein umfangreiches Netzwerk politischer Kontakte hergestellt wird. Es ist also vor allem das symbolische und soziale Kapital, also Ansehen und die weitläufigen Kontakte zu politischen, ökonomischen und kulturellen Eliten, was Stiftungen akkumulieren und in Einfluss ummünzen. Nicht umsonst laufen mittlerweile umfangreiche Bildungsprojekte wie das Programm ‚Lernen vor Ort‘, das vom BMBF und Europäischen Sozialfond mit 60 Millionen Euro in 40 Kommunen finanziert wird, in Kooperation mit über 100 Stiftungen (Weiß 2011). Hier reichen Privatisierungsstrategien von der bewussten Integration privater Akteure in politische Projekte und der damit verbundenen Aufwertung der Privatstiftungen über die Einflussnahme und Gestaltung, die Stiftungen in dieser Kooperation ermöglicht werden, bis hin zu konkreten Gestaltungsspielräumen, die ihnen innerhalb des Projekts vor Ort eröffnet werden (z.B. Patenschaften, Transfer von Know-how, Bildungsmanagement; Weiß 2011: 104). Privatisierung meint hierbei also auch die Privatisierung des Politischen im Sinne der zunehmenden Integration privater Akteure durch staatliche Akteure, woraus Veränderungen des politischen Handlungsraums resultieren.

Ein erweiterter Privatisierungsbegriff

In dem Maße, wie Bildungspolitik verstärkt partikulare Interessen berücksichtigt, müssen auch die institutionellen Restrukturierungen innerhalb von Bildungsorganisationen betrachtet werden. Denn der Staat ist die einzige legitime Instanz, die bestimmte Formen der Ökonomisierung in den Bildungsbereich und besonders in die Bildungsorganisationen vermitteln kann, wie etwa die Anwendung von Instrumenten des New Public Management (z.B. Evaluation, Bildungscontrolling). Ein erweiterter Privatisierungsbegriff, wie ihn Jürgen Klausenitzer vorschlägt, berücksichtigt daher auch die

„vorherrschende Form der Privatisierung in dem bereits in vollem Gang befindlichen Transfer von Elementen des Marktes (Neue Verwaltungssteuerung, Teilautonomie der Institutionen, Individualisierung der Subventionen in Teilbereichen) und ‚moderner’ Managementmethoden in den Bereichen der staatlichen Bildungsinstitutionen (…) Von daher scheint ein deutlich weiter gefasster Begriff von Privatisierung der gegenwärtigen Situation angemessen zu sein – ein Begriff, der die Aspekte der Verbetriebswirtschaftlichung der staatlichen Institutionen selbst erfasst“ (Klausenitzer 2004: 151).

Dieser erweiterte Privatisierungsbegriff, der die innere Umgestaltung von Bildungsorganisationen mit in den Blick nimmt, schließt an die Unterscheidung von endogener und exogener Privatisierung an, die Stephen Ball und Deborah Youdell in ihrer empirischen Untersuchung zu Public Private Partnerships im Hochschulbereich machen (Ball/Youdell 2008: 9-10). Formen der endogenen Privatisierung beziehen sich auf „importing ideas, techniques and practices from the private sector in order to make the public sector more like businesses and more business-like“, während exogene Privatisierung beschrieben wird als „opening up of public education services to private sector participation on a for-profit basis and using the private sector to design, manage or deliver aspects of public education“ (ebd.). Als Beispiel wird die elterliche Schulwahl für endogene und die Auslagerung von Dienstleistungen an private Betreiber als exogene Privatisierungsform angegeben (ebd.: 10). Es sind vor allem Formen der „Hidden Privatisation“ (ebd.), die hierbei für die Privatisierung von Bildung von Bedeutung sind.Privatisierung als eine spezifische Form der Ökonomisierung von Bildung bezieht sich vor allem auf die wenig direkt sichtbaren, unscheinbaren und schleichenden Prozesse von Veränderungen, in denen private Akteure zunehmend Einfluss auf die diskursive, kognitive und institutionelle Gestaltung von Bildung seitens der politischen Akteure erhalten. Sie ist eingebettet in eine allgemeine Veränderung von Staat und Politik, die mittlerweile neokorporatistische Formen einer Institutionalisierung der Zusammenarbeit von staatlichen und privaten Akteuren angenommen hat (vgl. Höhne/Schreck 2009). Outsourcing und Public Private Partnerships gehören ebenso dazu wie ‚runde Tische‘, Beratungen, gemeinsame Programme und Kommissionsarbeit, wie sie aus dem Lobbyismus bekannt sind. Darüber hinaus vollzieht sich Privatisierung gerade in Gestalt institutioneller Umgestaltung von Bildungseinrichtungen von innen über die Veränderung von Arbeitsabläufen, Praktiken wie die Einrichtung von Steuergruppen, Etablierung von Kontrollformen wie Evaluation oder die Einführung von Bildungsmanagement und Führungskonzepten. Diese endogene Restrukturierung von Bildungsinstitutionen ist nur möglich im Rahmen einer gewandelten Bildungspolitik, die auf mehr Wettbewerb und höheren Output im Bildungsbereich zielt. Stichworte sind hierbei Schulautonomie, Evaluation, Exzellenzinitiative oder Kompetenzorientierung. Dies zeigt deutlich, dass Privatisierung ein vielfach bestimmtes Phänomen ist, das unmittelbar mit der Veränderung von Staat(lichkeit) und neuen Akteurskonstellationen zusammenhängt, mit der eine Partikularisierung und Vermarktlichung von Bildung einhergeht. So vollzieht sich im Zeichen von Autonomie und Wahlfreiheit schrittweise eine öffentliche Enteignung von Bildung.

Thomas Höhne

Literatur

  • Altvater, Elmar (2006): Privatisierung. In: Urban, Hans-Jürgen (Hrsg.): ABC zum Neoliberalismus. Hamburg: VSA, S. 176-178.
  • Ball, J. Stephen/ Youdell, Deborah (2008): Hidden Privatisation in Public Education. Brüssel: Education International.
  • Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (2010): Privatisierungsreport 9: Neue Aufgaben – Neue Märkte. Wie mit Dienstleistungen an Schulen Geld verdient wird.
  • Höhne, Thomas/ Schreck, Bruno (2009): Private Akteure im Bildungsbereich. Eine Fallstudie zum schulpolitischen Einfluss der Bertelsmann Stiftung am Beispiel von SEIS. Weinheim/München: Juventa.
  • Huffschmid, Jörg (2005): Privatisierung. In: ABC der Globalisierung. Hamburg: VSA, S. 148-149.
  • Klausenitzer, Jürgen (2004): Thesen zur Rationalisierung und Privatisierung im Bildungsbereich. Für einen erweiterten Privatisierungsbegriff. In: Huffschmid, Jörg (Koord.): Die Privatisierung der Welt. (Reader des wissenschaftlichen Beirats von Attac). Hamburg: VSA, S. 140-158.
  • OECD (2013): Wem nutzen Privatschulen? In: Gürlervik, Aydin/Palentien, Christian/Heyer, Robert (Hrsg.): Privatschulen versus staatliche Schulen. Wiesbaden: Springer, S. 235-240.
  • Ptak, Ralf/Aghamiri, Kathrin (2013): Privatisierungstrends in allgemeinbildenden Schulen – eine ökonomisch-pädagogische Sicht. In: Gürlervik, Aydin/Palentien, Christian/Heyer, Robert (Hrsg.): Privatschulen versus staatliche Schulen. Wiesbaden: Springer Verlag, S. 279-296.
  • Sack, Detlef (2007): Spiele des Marktes, der Macht und der Kreativität – Öffentlich-private Partnerschaft und lokale Governance. In: Schwalb, Lilian/Walk, Heike (Hrsg.): Local Governance – mehr Transparenz und Bürgernähe? Wiesbaden: VS-Verlag, S. 251-277.
  • Sackmann, Reinhold (2004): Internationalisierung von Bildungsmärkten? Empirische Daten zur Kommerzialisierung von Bildung in Deutschland und den USA. In: Beiträge zur Hochschulforschung, H. 4, S. 62-92.
  • Weiß, Manfred (2001): Quasi-Märkte im Schulbereich. Eine ökonomische Analyse. In: Oelkers, Jürgen (Hrsg.): Zukunftsfragen der Bildung, Zeitschrift für Pädagogik, 43. Beiheft, S. 69-85.
  • Weiß, Manfred/Steinert, Brigitte (2000): Privatisierung des Bildungsbereichs – Internationale Tendenzen. In: Radtke, Frank-Olaf/Weiß, Manfred (Hrsg.): Schulautonomie, Wohlfahrtsstaat und Chancengleichheit. Opladen: Leske & Budrich, S. 35-51.
  • Weiß, Wolfgang (2011): Kommunale Bildungslandschaften. Weinheim/München: Juventa.
  • Zeller, Christian (2006): Enteignungsökonomie. In: Urban, Hans-J. (Hrsg.): ABC zum Neoliberalismus. Hamburg: VSA, S. 67-68.
  • Zymek, B. (2000): Re-Partikularisierung des Bildungssystems? Historische Anmerkungen zu aktuellen Strategien der Schulreform. In: Schlömerkemper, J. (Hrsg.): Differenzen. Über die politische und pädagogische Bedeutung von Ungleichheiten im Bildungswesen (= Die Deutsche Schule, Beiheft 6), S. 6-20.

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